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Ethisches Basiswissen und Kommunikationskompetenz für eine gute Entscheidungsqualität in ethisch schwierigen Patientensituationen

22. August 2022

Lohfert-Preis

Rückblick zum zehnten Lohfert-Preis: Wir nehmen die zehnte Vergabe des Lohfert-Preises zum Anlass, bei den ehemaligen Preisträgerinnen und Preisträgern nachzufragen: Wie ist es ihrem Projekt seit der Preisvergabe ergangen, was haben sie für die Zukunft vor? Im Jahr 2013 gewann das Projekt „Basiswissen Ethik im Zürcher Neo-Ethikmodell“ als eines von drei Projekten den Lohfert-Preis.

Das Ziel des Projekts lag in der Vermittlung von ethischem Basiswissen an die Mitarbeitenden der Neonatologie am Universitätsspital Zürich, die im Intensivbereich in ihrer klinischen oder pflegerischen Tätigkeit kranke Neugeborene und deren Eltern betreuen. Die Inhalte der Informationsschulung „Ethisches Basiswissen“ wurden dabei als ergänzendes Element des vorhandenen Dossiers »Zürcher Neo-Ethikmodell« erarbeitet.

Das vermittelte Basiswissen sollte die Kommunikationskultur und Struktur in Entscheidungsfindungsprozessen in ethisch schwierigen Patientensituationen fördern, in denen bereits ein Handlungsvorschlag bezüglich der weiteren Versorgung des kranken Neugeborenen für die Eltern erarbeitet wurde. Weiterhin sollte mit dem Projekt die Kommunikationskompetenz in der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen, Medizinern, Ethikern und Seelsorgern verbessert werden.

Ausgezeichnet: Die allererste Verleihung des Lohfert-Preises – der Lohfert-Preis 2013 ging gleich an drei Projekte. Von links nach rechts: Prof. Dr. Rolf Diehl, „Blauer Punkt“, Alfried Krupp Krankenhaus Essen, Dr. Ruth Baumann-Hölzle und Barbara Dinten-Schmid „Basiswissen Ethik im Zürcher Neo-Ethikmodell“, Susanne Johannes, „Blauer Punkt“, Dr. Christoph Lohfert, Dr. Dr. Peter Lohfert, Prof. Dr. med. Peter W. Radke und Dr. Timothy Mende (ehem. Krauss), Diagnosespezifisches Pfadkurvensystem „KombiKurve“, Lübeck (Foto M. Rauhe)
Ausgezeichnet: Die allererste Verleihung des Lohfert-Preises – der Lohfert-Preis 2013 ging gleich an drei Projekte. Von links nach rechts: Prof. Dr. Rolf Diehl, „Blauer Punkt“, Alfried Krupp Krankenhaus Essen, Dr. Ruth Baumann-Hölzle und Barbara Dinten-Schmid „Basiswissen Ethik im Zürcher Neo-Ethikmodell“, Susanne Johannes, „Blauer Punkt“, Dr. Christoph Lohfert, Dr. Dr. Peter Lohfert, Prof. Dr. med. Peter W. Radke und Dr. Timothy Mende (ehem. Krauss), Diagnosespezifisches Pfadkurvensystem „KombiKurve“, Lübeck (Foto M. Rauhe)

 

Wir haben die damaligen Projektleiterinnen Dr. Ruth Baumann-Hölzle, Institutsleiterin der Stiftung Dialog Ethik in Zürich, und Barbara Dinten-Schmid, Pflegeexpertin Klinik für Neonatologie am Universitätsspital Zürich, per E-Mail drei Fragen zum Fortgang des Projekts gestellt.
Woran denken Sie, wenn Sie das Foto aus dem Jahr 2013 betrachten?
Projektfoto aus der Bildreportage von Bertram Solcher für das Lohfert-Preisprojekt 2013:
Projektfoto aus der Bildreportage von Bertram Solcher für das Lohfert-Preisprojekt 2013: "Basiswissen Ethik im Zürcher Neo-Ethikmodell“
Die gesamte Bildreportage von Bertram Solcher finden Sie in der Mediathek.
Die gesamte Bildreportage von Bertram Solcher finden Sie in der Mediathek.

Ruth Baumann-Hölzle: Die Neonatologie verhilft zunehmend jüngeren Frühchen, in Deutschland bereits in der 22. Schwangerschaftswoche, zum Überleben. Die damit einhergehenden häufigen kognitiven Einschränkungen verändern sich jedoch kaum, sodass auch das Dilemma zwischen Überlebenshilfe und damit einhergehendem Risiko auch stark eingeschränkter Lebensqualität bleibt. Das Neomodell ist daher nach wie vor aktuell. Es findet am Luzerner Kantonsspital Anwendung, wo ich seit mehr als 10 Jahren als ethische Expertin tätig bin.

Barbara Dinten-Schmid: Die Füßchen sind mittlerweile noch kleiner geworden! Die betreuten Frühgeborenen und ihre Familien vulnerabel wie eh und je!

Wie konnte der Gewinn des Lohfert-Preises das Projekt unterstützen?

Ruth Baumann-Hölzle: Der Lohfert-Preis war über die internationale Anerkennung hinaus ein wichtiges Zeichen für die Notwendigkeit der interprofessionellen Entscheidungsfindung bei komplexen Entscheidungssituationen am Anfang und am Ende des Lebens von Kindern, aber auch von alten Menschen.

Barbara Dinten-Schmid: Die Würdigung durch den Lohfert-Preis hat uns animiert, das Modell weiterzuentwickeln. Seit 2017 arbeiten wir am Universitätsspital Zürich mit dem Konzept "Shared Decision-Making in der Neonatologie USZ. Die gemeinsame Entscheidungsfindung bezieht die Eltern von Anfang an mit ein in den Entscheidungsprozess, die beziehungs-ethische Perspektive der betroffenen Familie ist dadurch besser berücksichtigt.

Woran arbeiten Sie gerade und was sind Ihre nächsten Ziele?

Ruth Baumann-Hölzle: Ich leite nach wie vor das „Interdisziplinäre Institut für Ethik im Gesundheitswesen“ der Stiftung Dialog Ethik. In diesem Rahmen haben wir soeben ein Projekt beenden können mit Empfehlungen für Fachpersonen und einer Broschüre für betroffene Frauen zum Thema „Umgang mit dem Kinderwunsch psychisch kranker Frauen“ . Im Rahmen dieses interprofessionellen Projektes haben wir ebenfalls ein Beratungsmodell entwickelt. Wir sind an mehr als 20 Organisation im ambulanten und stationären Bereich beratend tätig. Nach wie vor ist die Entwicklung von Entscheidungshilfen für komplexe ethische Entscheidungssituationen Schwerpunkt meiner persönlichen Tätigkeiten. Darüber hinaus bin ich weiterhin auch in Kommissionen tätig, wie z.B. der Kantonalen Ethikkommission des Kantons Zürich, in der wir Forschungsprojekte behandeln. Seit mehr als 25 Jahren bin ich zudem Präsidentin des Vereins „Ganzheitliche Beratung und kritische Information zu Pränataler Diagnostik“. Dort werden wir im Herbst eine Beratungsbroschüre für die Präimplantationsdiagnostik publizieren.

Barbara Dinten-Schmid: Um die Eltern bereits im Pränatalgespräch in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen, erstellen wir Entscheidungshilfen (Decision Aids). Dabei handelt es sich um eine Broschüre, welche im Gespräch verwendet werden kann, um anschaulich über Morbidität und Mortalität von Frühgeboren zu sprechen oder um den Eltern zu zeigen, was sie unter Umständen auf der Neonatologie erwartet. Die Broschüre unterstützt die Eltern in ihrer persönlichen Auseinandersetzung untereinander nach dem Gespräch mit uns.  

Zürich/Hamburg, im Juni 2022


Zum Lohfert-Preis

Seit dem Jahr 2012 wird einmal jährlich der Lohfert-Preis ausgeschrieben. Ziel des Förderpreises ist die Verbesserung der Qualität und Patientenorientierung in der Gesundheitsversorgung. Das Ausschreibungsthema 2013 lautete: „Prozessorientierte Steuerung und Kommunikation in den stationären Einrichtungen der Krankenversorgung“. Neben dem hier beschriebenen Projekt „Basiswissen Ethik im Zürcher Neo-Ethikmodell“ erhielt das Demenzmanagement-Projekt »Blauer Punkt« am Alfried Krupp Krankenhaus, Essen - hier im Interview den Lohfert-Preis 2013 und das Projekt Diagnosespezifisches Pfadkurvensystem "KombiKurve" - beschrieben in der Broschüre zum Lohfert-Preis 2013.
Im Jahr 2016 wurde ein weiteres Projekt zum Thema Shared Decision Making prämiert: „Therapiebegrenzung: Verbesserung der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit onkologischen Patienten“ am Klinikum der Universität München unter der Leitung von Dr. med. Pia Heußner sowie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. med. Dr. phil. Eva Winkler.

Copyright Fotos: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2013 /Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wider. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.

Am 20. September 2022 findet die 10. Vergabe des Lohfert-Preises statt.

Schauen Sie vorbei!

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