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Digitalisierung in der Pflege - was hat es damit auf sich?

25. Oktober 2018

Lohfert-Preis

 „Mehr Zeit für den Patienten – digitale Konzepte zur Entlastung der Pflege“ – das Thema des Lohfert-Preises 2019 ist ein besonders aktuelles. Der Pflegesektor stößt an die Grenze der Leistungsfähigkeit, stationär wie ambulant. Schon heute fehlt oft Zeit für fachgerechte und patientenorientierte Pflege und Betreuung. Digitale Pflegetechnologien können menschliche Zuwendung nicht ersetzen, für viele Prozesse in der Pflege aber bieten sie die dringend benötigte Entlastung.

Wir haben den wissenschaftlichen Leiter der Christoph Lohfert Stiftung, Dr. Thomas Lehnert, gefragt, wo er die Vorteile, aber auch die Risiken sieht.

Welche Vorteile bietet die Digitalisierung in der Pflege?

Die potentiellen Vorteile, die die Digitalisierung in der Pflege mit sich bringt, sind mannigfaltig: Sie liegen – etwas technisch ausgedrückt – insbesondere in Effizienzgewinnen. Das bedeutet, dass die gleichen pflegebezogenen Tätigkeiten mit Hilfe von digitalen Technologien schneller, mit geringerem Personaleinsatz (bei gleicher Qualität) oder in höherer Qualität (bei gleichem Personaleinsatz erbracht werden) können.

Digitalisierung ermöglicht daher eine stärker serviceorientierte und individualisierte Pflege. Idealerweise entlasten die digitalen Technologien die Pflegekräfte zeitlich und organisatorisch, beispielsweise bei Dokumentationstätigkeiten, so dass sie mehr Zeit für die Bedürfnisse der Patienten haben.

Außerdem stabilisiert der Einsatz digitaler Technologien die Behandlungsabläufe. Er erhöht dadurch die (Patienten-)Sicherheit und macht die Leistungserbringung transparenter, beispielsweise durch digitales Fallmanagement.

Nicht zuletzt trägt Digitalisierung zur besseren Vernetzung/Zusammenarbeit der an der pflegerischen Versorgung und sonstigen Betreuung beteiligten Personen (Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte, Pflegebedürftiger, Angehörige, Behörden) bei.

Was muss konkret passieren, damit die Digitalisierung in der Pflege wirklich dem Patienten zu Gute kommt und das Pflegepersonal entlastet wird?

Der Einsatz von digitalen (Pflege-)Technologien sollte sich konsequent auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Pflegebedürftigen/Patienten ausrichten. Diese sollten dadurch mindestens so gut oder sogar besser erfüllt werden als ohne den Einsatz dieser Technologien. Das funktioniert nur, wenn auch die Pflegekräfte durch digitale Technologien unterstützt oder entlastet werden.

Allerdings müssen die Effizienz- und Zeitgewinne auch wirklich bei den Pflegekräften ankommen, indem sie die Arbeitsverdichtung verringern. So könnte ein Teil dieser zusätzlichen Zeit direkt für den zwischenmenschlichen Kontakt mit den Pflegebedürftigen/Patienten verwendet werden. Ob die Pflegekräfte und letztlich die Pflegebedürftigen tatsächlich von digitalen Technologien profitieren, hängt also maßgeblich davon ab, wie die mit diesen Technologien zusammenhängenden Effizienz- und Zeitgewinne benutzt werden.    

Ein weiterer wichtiger Aspekt neben dem Zeitgewinn ist die Entlastung durch Automatisierung: Digitale (Pflege-)Technologien nehmen den an der pflegerischen Versorgung Beteiligten (insb. Pflegekräfte, Administration) einen Teil ihrer Arbeit ab. Diverse Tätigkeiten rund um die Pflege können teilweise oder vollständig (z.B. Mitarbeiter-/Schichtplanung, Pflegedokumentation, Messung von Vitalparametern) automatisiert werden. So lassen sich pflegerische Behandlungsabläufe stärker standardisieren und auch während der Versorgung darstellen. Zum Beispiel mit einer Datenbrille: Instruktionen werden während der Tätigkeit Schritt-für-Schritt in der Datenbrille eingeblendet. Das unterstützt die Pflegekräfte und sorgt für mehr Transparenz, vor allem bei komplexeren Pflegeprozessen (wenn die Brille z.B. zugleich die korrekte Ausführung dokumentiert) oder wenn pflegende Angehörige Pflegeprozesse übernehmen.         

Welche Risiken verbergen sich hinter der Digitalisierung in der Pflege?

Angesichts des Fachkräftemangels und der steigenden Anzahl Pflegebedürftiger wäre es nachvollziehbar, wenn die Versorgungseinrichtungen die Effizienzgewinne einfach für höhere Produktivität verwenden, also letztlich mehr Patienten versorgen. Dann kommen die Vorteile der digitalen Technik jedoch nicht bei den Pflegekräften und/oder Patienten in Form von mehr „Zeit“ und "Zuwendung" an.

Der zweite Risikobereich liegt in der Telematik-Infrastruktur, IT-Sicherheit und der Datensouveränität/-kontrolle. Hier müssen vom Gesetzgeber regulatorische Maßnahmen klar definiert beziehungsweise die benötigte Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.

Außerdem dürfen wir nicht die ethischen Implikationen und die Privatsphäre vergessen, Stichworte hierzu sind: potentielle Entmenschlichung der Pflege sowie die Verstärkung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit.

Hamburg, im Oktober 2018

Dr. Thomas Lehnert
Wissenschaftliche Leitung Christoph Lohfert Stiftung

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