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Das Gefühl der Gemeinsamkeit spüre ich länderübergreifend

8. April 2020

News

Aktualisierung vom 29.04.2020: Inzwischen haben viele Schulen und Kitas in Dänemark wieder geöffnet. Wie die dänischen Krankenhäuser mit der Pandemie-Herausforderung umgehen und warum sie sie trotz (oder gerade wegen?) massiver Zentralisierung  und Spezialisierung gut bewältigen, beschreibt Nantke Garrelts im Tagesspiegel-Background.

08.04.2020: Während Deutschland nach knapp dreiwöchiger Kontaktsperre noch auf den Peak wartet, den Punkt, an dem die Erkrankungskurve wieder abfällt, ist man in Dänemark schon weiter. Dort geht die Zahl der Neuinfizierten zurück. Ein guter Grund für ein Interview mit unserer ehrenamtlichen Vorständin Carolina Lohfert Praetorius. Sie lebt und arbeitet in Kopenhagen und ist normalerweise europaweit zwischen Norwegen und Österreich als Beraterin für Krankenhausplanung und -organisation unterwegs. Wie empfindet sie die Situation in Dänemark – was hat Dänemark Deutschland voraus?


In Dänemark ist die Zahl der Neuinfizierten zuletzt zurückgegangen. Nun sollen einige der strengen Beschränkungen gelockert werden. Wie erleben Sie die Situation in Dänemark, auch im Vergleich zu Deutschland? 

Es ist korrekt, dass es so aussieht, dass wir in Dänemark die Corona-Situation im Griff haben. "Im Griff" - das heißt, dass die Krankenhauskapazitäten (besonders die Anzahl der Intensivbetten und Beatmungsgeräte) und die Personalressourcen ausreichen, um die an Corona erkrankten Patienten behandeln zu können. Dieses hat man in Dänemark erreicht, weil man schnell gehandelt hat: Hygieneregeln, Isolation, Versammlungsrestriktionen, Reiseverbot usw.  – so wie man es auch in Deutschland kennt. In Dänemark sind wir evtl. einige Tage voraus mit den Maßnahmen im Vergleich zu Deutschland gewesen. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass es leichter ist in einem relativ kleinen Land wie Dänemark und mit einem sehr gut funktionierenden Krankenhauswesen, die Situation in den Griff zu bekommen. Die strengen Beschränkungen werden nur sehr, sehr vorsichtig gelockert. In vielen kleineren Phasen und das über eine lange Zeit, damit man die Situation unter Kontrolle hat und nicht die Krankenhauskapazitäten überbelastet.

Wir haben Projekte in vielen anderen Ländern und wir fühlen uns nah
Die Balance zwischen den „richtigen“ Corona-Maßnahmen und anderen gesundheitlichen, menschlichen und wirtschaftlichen Aspekten zu finden, denke ich, ist die größte Herausforderung in dieser Zeit und ggf. noch in den folgenden Jahren. Wir kennen die Konsequenzen nicht: Wie viele Menschen sterben an anderen Krankheiten, die im Moment nicht priorisiert werden. Und wie groß werden die wirtschaftlichen Konsequenzen für den einzelnen Menschen, die Firmen, die Städte, die Länder, Europa, die ganze Welt sein?

Ich erlebe die Situation hier in Dänemark so, dass die Menschen viel Verständnis für die Situation haben und sich an die Maßnahmen halten. Wir sind von einem Gefühl von „Zusammenhalt“ geprägt - wir schaffen die Herausforderung gemeinsam. Jeder tut seines – aber mit physischem Abstand voneinander. Dieses Gefühl der Gemeinsamkeit spüre ich aber auch länderübergreifend. Wir haben Projekte in vielen anderen Ländern und wir fühlen uns nah. Wir denken flexibel, um die Herausforderungen, die uns alle betreffen, so gut wie möglich zu meistern.

Als Beraterin sind Sie in vielen Krankenhäusern der DACH Region und in Skandinavien im Einsatz. Wie hat sich die Arbeitssituation verändert? 

Als Krankenhausplaner ist Lohfert-Praetorius A/S in vielen europäischen Ländern beschäftigt. Wir haben im Moment große Krankenhaustruktur-Projekte in Österreich, in der Schweiz und in Deutschland. Viele möchten gerne aus unseren Erfahrungen in Dänemark, wo wir in den letzten zehn Jahren eine Zentralisierung der Krankenhausstruktur und große Krankenhaus­neubauten vorgenommen haben, lernen. Wir sind deswegen fast täglich in einem anderen Land unterwegs und führen diese Projekte vor Ort durch.

Digitale Lösungen sind jetzt eine Notwendigkeit geworden
Als die Grenzen zugemacht und keine Reisen mehr zugelassen wurden, alle von zu Hause arbeiten mussten, haben wir unsere Kommunikation ausschließlich auf digitale Lösungen umgestellt. Umgestellt ist eigentlich nicht der richtige Begriff, da wir sowieso schon sehr digital gearbeitet haben. Wir führen schon seit Jahren Videokonferenzen durch – besonders für Koordinationssitzungen mit verschiedenen Projektbeteiligten. Wir haben damit nur gute und Ressource einsparende Erfahrungen gemacht. Für viele unserer Geschäftspartner ist dies aber bisher ungewohnt. Diese Arbeitsweise ist jetzt eine Notwendigkeit geworden. Außerdem haben wir jetzt auch diese Arbeitsweise auf Nutzerabstimmungen erweitern können.

Können Sie einen Unterschied im Umgang mit der Situation zwischen den Ländern oder auch zwischen Krankenhäusern eines Landes erkennen?

Wir in Dänemark und Deutschland sollten sehr dankbar sein, dass wir in Ländern wohnen, in denen es ein gutes Gesundheitssystem mit einem Versicherungssystem gibt, sodass alle Patienten grundlegend behandeln werden können. Wenn ich sehe, wie die Menschen in vielen anderen Ländern mit der Corona-Pandemie zurechtkommen müssen, würde ich gerne eingreifen und etwas tun.

Die Entscheidungen, die in diesen Zeiten getroffen werden müssen, bedürfen einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen den Politikern und dem Gesundheitswesen. In Dänemark konnten wir erleben, dass die Politiker und Gesundheitsexperten nicht immer einig sind in den Strategien. Die Strategien müssten übergeordnet so koordiniert sein und klar kommuniziert werden, sodass ein klarer Weg gezeigt wird. Ich denke, es ist wichtig Vorhersagbarkeit in einer unvorhersehbaren Zeit zu zeigen.

Kopenhagen, Hamburg im April 2020

Foto oben: Michael Rauhe/ Foto unten: Bertram Solcher

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