von Prof. Dr. Sandra Ciesek, Universitätsklinikum Frankfurt
"Wir Virologen und Virologinnen haben in der Pandemie die Kommunikation mit einer breiten Öffentlichkeit als neues Fach dazubekommen. Das hat sich als Chance, aber auch als Risiko erwiesen. Im Oktober 2021 ergab eine Umfrage der Fachzeitschrift Nature, dass mehr als die Hälfte von 321 befragten Corona-Expertinnen und Experten – darunter auch solche aus Deutschland – nach Interviews persönliche Angriffe, Beleidigungen oder Bedrohungen in Mails oder in den sozialen Netzwerken erlebt haben. Das verursacht eine starke persönliche Belastung, die sich niemand ausmalt, der eine wissenschaftliche Laufbahn einschlägt. Auch die fachliche Reputation einzelner Kolleginnen und Kollegen hat – unberechtigterweise – aufgrund unbedachter Äußerungen in den Medien gelitten."
"Um für solche Situationen gewappnet zu sein, wäre es für alle Forschenden von Vorteil, die Spielregeln der Medienwelt genauer zu kennen, um sich dort sicherer zu bewegen. In einer Krisensituation, wie sie durch Corona entstanden ist, benötigen selbst mediengewohnte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dringend professionelle Beratung. Am Universitätsklinikum Frankfurt haben wir uns frühzeitig mit der Kommunikationsabteilung zusammengesetzt, um das grundsätzliche Kommunikationsziel festzulegen, das wir verfolgen. Für mich war dabei klar: Ich möchte mich auf wissenschaftliche Inhalte fokussieren und virologische bzw. medizinische Zusammenhänge erklären. Mich politisch zu positionieren habe ich nicht als meine Aufgabe verstanden.
Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden, welche Presseanfragen ich übernehme. Bestimmte Medienformate eignen sich von ihrer Grundstruktur her kaum oder gar nicht, um wissenschaftliche Inhalte unaufgeregt zu besprechen, sodass am Ende ein fachbezogener Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Sie sind eher auf eine zugespitzte und politisierte Debatte ausgerichtet. Es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich hier positionieren wollen – das ist selbstverständlich legitim. Andere Formate wie etwa der NDR-Podcast erlauben eine ausführliche Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Zusammenhängen und auch Kontroversen. Ich halte es für wichtig, die Entscheidung für bestimmte Formate und Inhalte ganz bewusst zu treffen und sich die dafür nötige professionelle Kommunikationsberatung einzuholen."
Anlässlich der zehnten Vergabe des Lohfert-Preises verleiht die Christoph Lohfert Stiftung in diesem Jahr eine besondere Auszeichnung für publizistische Arbeiten mit herausragender Breitenwirkung, die zur gesundheitlichen Aufklärung beitragen und die öffentliche Wahrnehmung medizinischer Fragen verbessern. Der »Medienpreis der Christoph Lohfert Stiftung« steht gleichberechtigt neben dem Lohfert-Preis und ist ebenfalls mit 20.000 Euro dotiert. Preisträger ist das Redaktionsteam des »Coronavirus-Update«-Podcasts von NDR Info zusammen mit Prof. Dr. med. Sandra Ciesek, Universitätsklinikum Frankfurt und Prof. Dr. med. Christian Drosten, Charité – Universitätsklinikum Berlin.
Vor dem Hintergrund der kommunikativen Herausforderungen während der COVID-19-Pandemie gelingt dem ›Coronavirus-Update‹ von NDR Info eine hervorragende Verknüpfung von Wissenschaft und Journalismus. Die Fragen der Journalistinnen sowie die Antworten der Expert:innen erzeugen bei aller Differenziertheit und wissenschaftlich gegebener Unwägbarkeit ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, das vor allem in der Gesundheitskommunikation gesundheitsadäquates Verhalten sowie die Akzeptanz von gesundheitsförderlichen Maßnahmen verbessern hilft. (Vorstand der Christoph Lohfert Stiftung)
Copyright Foto: Universitätsklinikum Frankfurt /Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen und Autor:innen geben deren eigene Auffassungen wider. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.