Lohfert-Preis
Das Problem liegt in der Verteilung der Fachkräfte, ist also in erster Linie systembedingt. Pro Einwohner:in haben wir zwar überdurchschnittlich viele Fachkräfte in Deutschland, jedoch gibt es pro Patient:in vergleichsweise wenige Fachkräfte. Dies liegt zum einen an fehlenden Möglichkeiten für die genannten Berufsgruppen, sowohl angestellt als auch freiberuflich tätig zu sein (wie etwa Hebammen) und v.a. an stationären Überkapazitäten, was einfach Personal bindet. Wir haben in Deutschland einen hohen Nachholbedarf im Bereich der Ambulantisierung und erbringen noch viel zu häufig Versorgungsleistungen stationär, die in Nachbarländern ambulant erbracht werden. Dies führt zu hohen Kosten und ineffizientem Personaleinsatz.
Die Krankenhausreform hat ein hohes Potenzial zur Verbesserung der Fachkräftesituation im Gesundheitswesen:
Durch Reduktion von Fehlanreizen für stationäre Leistungsausweitungen, bessere Steuerung und Vernetzung und durch Ambulantisierung - etwa in Level 1i-Kliniken (1) - sind hier deutliche Effekte auf die Kosten, Qualität und die Fachkräftesituation möglich. Wichtig ist, dass alle Akteure endlich an einem Strang ziehen und die Politik eine mutige Reform umsetzt.
Ein großes Problem besteht auch im ambulanten Bereich, wo vielerorts medizinische Fachangestellte (MFA) fehlen - teilweise auch, weil im stationären Setting bessere Verdienstmöglichkeiten bestehen, so dass Fachkräfte von der Praxis in die Klinik wechseln. Auch bei Ärzt:innen gibt es, etwa in der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendmedizin und allgemein in der sprechenden Medizin einen klaren Fachkräftemangel.
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Langfristig sehe ich hier ein sehr hohes Potenzial, aber das geht nicht von heute auf morgen und betrifft die unterschiedlichen Tätigkeiten in unterschiedlichem Maße. Empathie und Tätigkeiten, die Feinmotorik erfordern wie Waschen und Körperpflege kann KI und Robotik bisher nicht angemessen leisten. Das Hauptproblem ist aber der völlig überzogene Datenschutz in Deutschland und auch eine gewisse Technik- und Innovationsfeindlichkeit bei einigen Entscheidern und Akteuren.
Die Pläne der Bundesregierung sind jedoch ehrgeizig, und ich habe Hoffnung, dass wir hier im internationalen Bereich aufholen können.
Dresden/Hamburg, im Dezember 2023
Prof. Dr. med. Jochen Schmitt, MPH, ist Professor für Sozialmedizin und Versorgungsforschung an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus, TU Dresden und dort seit 2012 Direktor des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV). Weiter ist er u.a. Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF) e.V., seit 2022 Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung des Bundesministeriums für Gesundheit und seit 2023 Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege des BMG sowie im Ständigen Arbeitskreis "Versorgungsforschung" der Bundesärztekammer.
Anmerkungen
(1) "Level 1i-Krankenhäuser verbinden stationäre Leistungen der interdisziplinären Grundversorgung wohnortnah mit ambulanten fach- und hausärztlichen Leistungen.", aus dem FAQ des Bundesgesundheitsministeriums. Mehr Info hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/krankenhausreform/faq-krankenhausreform