Lohfert-Preis
Die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus sind in der Regel hoch motiviert, sich für eine Verbesserung der Versorgung und Erhöhung der Patientensicherheit einzusetzen. Doch der Elan ist bald erschöpft, wenn das Management dieses Engagement nicht proaktiv unterstützt. Aktivitäten, wie zum Beispiel der Aufbau von CIRS-Meldezirkeln und Qualitäts-Zirkeln drohen dann zu versanden. Die Verbesserung der Patientensicherheit ist eine Führungsaufgabe. Die Patientinnen und Patienten so sicher wie möglich zu versorgen, muss vom Management als Top-Thema erkannt werden, nicht nur als moralischer Imperativ, sondern auch als unternehmerischer Erfolgsfaktor.
Ein Patient muss im Krankenhaus viele Stationen durchlaufen, von der Aufnahme bis zur Entlassung. Eines der größten Risiken für die Patientensicherheit im Krankenhaus liegt meines Erachtens unverändert in Kommunikationsbrüchen an den Schnittstellen im Behandlungspfad. Informationen werden häufig immer noch mehrfach erfragt, was dennoch nicht verhindert, dass wichtige Informationen über den Patienten, wie zum Beispiel über Allergien und Vor- und Begleiterkrankungen, nicht weitergegeben werden, oder es gar zu Eingriffs- und Seitenverwechslungen kommt.
Im Hinblick auf die Arzneimitteltherapie-Sicherheit ist inzwischen gut belegt, dass Medikationsfehler durch Computer-gestützte Systeme signifikant reduziert werden können. „Digital Health“ umfasst zahlreiche Möglichkeiten zur Steigerung der Patientensicherheit und Verbesserung der Versorgungsqualität bis hin zu einer auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen Präzisionsmedizin. Voraussetzung für den Erfolg der neuen digitalen Möglichkeiten ist ein konstruktiv-kritischer Umgang mit ihnen: Was können die neuen digitalen Möglichkeiten jeweils leisten, was nicht? Eine elektronische Pateientenakte ist zum Beispiel nur so gut, wie sie gepflegt wird. Und eine Gesundheits-App sollte den Patienten niemals in der Scheinsicherheit wiegen, die ärztliche Diagnose sei verzichtbar. Wie neue Arzneimittel und neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden müssen auch Gesundheits-Apps unter Beweis stellen, dass sie von Nutzen für die Patientinnen und Patienten sicher sind.
Jede Patientin und jeder Patient kann maßgeblich zur Verbesserung der Indikationsqualität beitragen. Bei den meisten operativen Eingriffen handelt es sich um planbare Eingriffe, das heisst es bleibt Zeit zu fragen: Ist der Eingriff wirklich notwendig? Gibt es vielleicht Therapiealternativen, die weniger invasiv und risiko-behaftet sind? Wenn der Eingriff medizinisch notwendig ist: Bin ich gut genug auf die Operation vorbereitet? Wenn zum Beispiel präoperativ eine Eisenmangel-Anämie festgestellt wird, sollte diese wenn möglich therapiert werden, bevor der Eingriff durchgeführt wird. Der Oberbegriff für die Fähigkeit, solche einfachen, aber wichtigen Fragen zu stellen, ist Gesundheitskompetenz. Die Förderung der Gesundheitskompetenz des Einzelnen ist eine der ganz großen Herausforderungen für unser Gesundheitswesen: Ein Schlüsselfaktor für die Verbesserung der Versorgungsqualität und die Steigerung von Patientensicherheit, aber auch für die Vermeidung von Erkrankungen durch einen gesundheitsbewussten Ernährungs- und Lebensstil. (Berlin/Hamburg, 08.01.2020)
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