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Digital ist besser: PINK! - Aktiv gegen Brustkrebs schließt die psychosoziale Versorgungslücke für betroffene Frauen während und nach der Brustkrebsbehandlung

5. September 2023

Projekt

Prof. Dr. Pia Wülfing hat die Online-Plattform „PINK! - Aktiv gegen Brustkrebs“ gegründet. Diese umfasst viele digitale Unterstützungsmöglichkeiten für Brustkrebspatientinnen und begleitet sie während der Therapie und vor allem auch in der Zeit danach. In Zeiten chronischer Personal- und Zeitknappheit des medizinischen Personals und angesichts des wachsenden Bedürfnisses nach (Self-)Empowerment und Souveränität der Patient:innen ist PINK! zukunftsweisend - und schon heute sehr erfolgreich.

Auch die Jury des Lohfert-Preises zeigte sich von dem Projekt beeindruckt und hat es im Rahmen der diesjährigen Preisträgerentscheidung lobend erwähnt - wir haben mit Prof. Wülfing gesprochen:

Hören Sie den Podcast auch auf Spotify und Deezer!

 

PINK! - Gründerin Prof. Dr. Pia Wülfing, (c) Zitzlaff
PINK! - Gründerin Prof. Dr. Pia Wülfing, (c) Zitzlaff
 
Was bietet PINK! - Aktiv gegen Brustkrebs?

Die ärztlich geführte Online-Plattform www.PINK-brustkrebs.de bietet umfassende Informationen und Aufklärung zum Thema Brustkrebs, laienverständlich und multimedial aufbereitet. Vor allem gibt es mit der App PINK! Coach einen digitalen Begleiter für Brustkrebspatientinnen zu den Themen Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit. Diese "App auf Rezept" ist als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zertifiziert und wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Zusätzlich widmen sich Pro-bono-Webinare und Webtalks sowie eine jährliche Digital-Konferenz speziellen Themen der Erkrankung und bieten die Möglichkeit, Expert:innen persönlich zu befragen. Nicht zuletzt gibt es einen psychoonkologischen Online-Kurs zur Auseinandersetzung und Akzeptanz der Diagnose. Für ihre Verdienste hat Prof. Wülfing schon einige Auszeichnungen bekommen - die PINK! Community zeigte sich zuletzt von der Nominierung zur "Woman of the Year 2023" der "Females in IT - FIT-Community" begeistert.


Das Interview im Einzelnen

(im leicht redaktionell überarbeiteten Transkript)

Christoph Lohfert Stiftung: Guten Morgen, Frau Professorin Wülfing! „Ohne Sie wäre ich lost!“, schreibt eine Nutzerin auf Instagram über Sie. Ich habe den Eindruck, dass viele Frauen, die Ihr Angebot nutzen, dem zustimmen würden. Welche Unterstützung, welche Hilfe genau bietet „PINK!“ konkret für die Erkrankten an Brustkrebs? Wie profitieren sie von „PINK!“?

Pia Wülfing: Ja, ich glaube, wir bedienen am ehesten diesen "Need" der Patientin nach Aufklärung, nach fachkompetenten Informationen, die unabhängig sind von irgendwelchen Interessen. Wir adressieren den Zeitmangel, der im Gesundheitssystem ein Riesenthema geworden ist - in Zeiten der Ökonomisierung der Medizin, in Zeiten von Fachkräftemangel ist es einfach noch schwieriger geworden, den Patientinnen in einer potenziell lebensbedrohlichen Situation oder mit einer so schwerwiegenden Erkrankung wirklich gerecht zu werden. Und da ist die Digitalisierung einfach ein gutes Vehikel.

Mit PINK! haben wir verschiedenste Möglichkeiten geschaffen, digital zu unterstützen.

Da ist einmal die Website mit all ihren Angeboten in Textform, in Podcast-Form, in Videoform. Dann haben wir auf allen Podcastplattformen in verschiedenen Folgen die Patient Journey der Patientinnen von der Diagnose bis zur Nachsorge abgebildet. Da erhalten wir viel Feedback der Patientinnen, dass sie das als sehr beruhigend und mutmachend empfinden. Und dann haben wir alle zwei Wochen abends ein Webinarangebot „Frag´ doch mal PINK!“ bzw. im Wechsel den PINK!-Talk zu einerseits streng medizinischen Themen und dann im Wechsel zu eher emotionaleren Themen, die aber auch Brustkrebspatientinnen betreffen, das sind eher psychologische Aspekte. Und einmal im Jahr gibt es den PINK!-Kongress. Dann haben wir noch zwei weitere digitale Produkte entwickelt: den psychoonkologischen Onlinekurs PINK!-Leben, der im Moment im Rahmen einer Studie erprobt wird. Und das, was jetzt in der Versorgungsrealität schon angekommen ist, ist unsere DiGA, unsere digitale Gesundheitsanwendung: Die App PINK! Coach, die - wie der Name schon sagt - ein digitaler Begleiter in der Hosentasche für die Patientinnen sein soll und sie ganz konkret mit personalisierten Tageszielen anleiten soll, sich mehr zu bewegen, gesund zu ernähren, achtsam zu sein, mit ihren Nebenwirkungen gut klarzukommen und ihnen so die Last abnimmt, selbst jeden Tag entscheiden zu müssen: „Was kann ich denn selber tun? Was kann ich selber beitragen?“

Es ist ein ganz großes Bedürfnis der Patientinnen, selbstwirksam zu sein und sich eben nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern selbst aktiv zu werden. Das macht PINK!.

[03:58] Wie sind Sie auf die Idee von PINK! gekommen? Das ist ja, wenn ich das richtig verstanden habe, auch so ein bisschen ein Corona-Produkt.

Pia Wülfing: Ja, da haben Sie recht. Also die Idee selbst ist kein Corona-Produkt, sondern die Patientinnen haben in den letzten zehn Jahren zunehmend immer auch so etwas erfragt und sich auch ein bisschendarüber beklagt, dass es keine solche unabhängige Plattform gibt, wo sie diese allumfassenden Informationen finden können. Es gibt natürlich jede Menge Fachgesellschaften, die auch sachlich korrekte Informationen online zur Verfügung stellen. Aber dort sind die Informationen dann oft nicht so aufbereitet, dass die Patientinnen sich da gerne aufhalten beziehungsweise wirklich alles verstehen. Und gerade diese Eins-zu-eins-Anleitung, also dieses Personalisierte, Individualisierte, das bei PINK! im Vordergrund steht – das fehlt dann natürlich auch komplett. Genau dieses Bedürfnis, das ist immer wieder in meiner Sprechstunde ganz klar adressiert worden. Die Patientinnen haben immer gesagt: „Sie können so gut erklären, Frau Professor Wülfing, können Sie nicht mal so eine unabhängige Plattform erstellen?" Darauf habe ich immer geantwortet: „Wenn ich mal Zeit habe, dann mache ich das.“ Aus dem täglichen "Klinikwahnsinn" heraus wäre das ja niemals umsetzbar gewesen. Und dann kam Corona, und ich bin tatsächlich selber als Risikopatientin definiert und von einem Tag auf den anderen in den unbezahlten Urlaub geschickt worden - und hatte dann auf einmal Zeit. Und nach zwei Wochen Homeschooling und Gardening mit meinen Kindern dachte ich, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, jetzt setze ich das um. Und dann ist das Schritt für Schritt, ganz "hands on" entstanden, beginnend mit dem Podcast, dann folgten die Website, die  App, dann der Psychoonkologiekurs und die vielen weiteren Aktivitäten für dei Patientinnen.

[05:50]: Sie haben gerade ja schon die App PINK!  Coach angesprochen, mit der Sie einen digitalen Begleiter für die Hosentasche geschaffen haben. Wie überzeugen Sie denn Ihre Kollegen und Kolleginnen davon, diese App zu verschreiben? Als digitale Gesundheitsanwendung bekommen gesetzlich Versicherte die bezahlt?

Pia Wülfing: Bei den DiGAs ist es ja gar nicht so, dass wir eine Verordnung für die Patientinnen brauchen. Wir kommunizieren das zwar durchaus so, um einfach auch aufzuklären, dass es "Apps auf Rezept" gibt. Aber streng genommen ist das vom Gesetz her - vom digitalen Versorgungsgesetz, das Herr Spahn noch auf den Weg gebracht hat - so gedacht, dass die Patientinnen sich, wenn die Diagnose nachgewiesen ist und das ist bei Brustkrebs ja sehr, sehr unstrittig, sich direkt den Freischaltcode bei der Krankenkasse besorgen können. Das heißt, sie benötigen gar nicht unbedingt ein Rezept. Aber ich finde, in der konkreten Situation "Brustkrebs", wo die Patienten ja komplett angebunden sind, in einem Brustzentrum und in einem klar definierten Behandlungs- und Betreuungsweg, macht es viel Sinn, die Kollegen auch mit an Bord zu holen. Und die waren am Anfang durchaus zurückhaltend bis skeptisch. Sie hatten vor allem die Sorge, dass ihnen solch eine App mehr Arbeit machen könnte. Inzwischen bekommen wir von den ärztlichen Kollegen und auch von den Psychoonkologen und Breast Care Nuirses eigentlich ausschließlich die Rückmeldung, dass unser Angebot sehr hilfreich ist und dass sie das unterstützen.

Wir sind sicherlich im Vergleich zu anderen DIGA-Entwicklern sehr zufrieden und können uns überhaupt nicht beklagen. Aber da ist noch Aufklärungsarbeit zu leisten.

[07:15] Die App kann dazu dienen, die ärztliche Kommunikation mit den Patientinnen zu erleichtern -  und dadurch ist es eine Win-Win Situation. Nicht nur für die Patientinnen, sondern auch für die behandelnden Ärzte.

Pia Wülfing: Absolut! Man muss ja sagen, kein Mensch hat Zeit, im normalen Praxis- und Klinikalltag all das zu erzählen, was in dieser App alles an Inhalten steckt. Und ehrlich gesagt: Kein Mensch, egal wie qualifiziert, hat auch dieses differenzierte Wissen in all diesen Bereichen. Das sind ja jetzt keine Chemotherapie-oder Antihormontherapie-Entscheidungen oder operativen Aufklärungen, also senologisch-onkologisches Fachwissen,  sondern es geht ja um andere Bereiche: Sportwissenschaften, Ernährungswissenschaften, mentale Gesundheit. Das sind Fragen, in die sich die Patientinnen ganz oft viel mehr eingelesen haben, aber es dann nicht richtig bewerten können und wir Ärzte aber im Medizinstudium oder in der Facharztausbildung sicherlich nichts darüber gelernt haben. Und das sind auch nicht die Bereiche, in denen man sich in der Regel in der erforderlichen Detailtiefe fortbildet. Die Patientinnen fragen aber diese Fragen, sie fragen mindestens genauso viel hierzu wie zu Medikamenten und zu operativen Dingen. Insofern würde ich die begleitende Unterstützung der Patientinnen durch die App als komplette Hilfestellung empfinden.

[08:30] Aus Sicht der Patientinnen: Was unterscheidet Ihre App von anderen Apps, die es inzwischen auch schon gibt – und was kann sie nicht?

Pia Wülfing: Wenn wir uns auf Brustkrebspatientinnen beziehen, gibt es eigentlich ja nur zwei DiGAs, also zwei wirklich vom BfArM, also vom Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel zugelassene und geprüfte Anwendungen. Und wir sind die einzige App. Es gibt noch einen interaktiven Kurs, „optimune“ -  das ist die zweite Brustkrebs-DiGA. Mehr Konkurrenz, wenn wir es so nennen, gibt es überhaupt nicht, sodass das ein relativ überschaubares Feld ist. Und wir unterscheiden uns alleine dadurch, dass wir eine App sind mit Tageszielen. Die andere DiGA ist ein über einige Wochen laufender interaktiver Kurs, den man am Rechner oder am Tablet durchführt. Sie hat weniger das Prinzip "Coach in der Hosentasche". Die beiden DiGAs basieren auf unterschiedlichen Ansätzen und sind ganz andere Produkte, auch wenn wir alle natürlich am Ende dasselbe Ziel verfolgen, dass es den Patientinnen besser geht.


Die feierliche Preisverleihung findet am Dienstag, 19. September 2023 um 13:30 Uhr im Rahmen des Hamburger Gesundheitswirtschaftskongresses im Grand Elysée Hotel in Hamburg statt.

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Alle anderen Apps, die man im App Store und im Google Play Store findet, sind nicht so geprüft, wie es die DiGAs sind, das muss man klar sagen. Diese "normalen Apps" sind  Anwendungen, bei denen niemand auf Datenschutz und Datensicherheit geguckt hat, bei denen man nicht weiß, wo die Daten bleiben und wo das Impressum manchmal noch nicht mal richtig klar ist. Bei denen Nutzer keine Ansprechpartner finden, kein Support vorgehalten wird, niemand geschaut hat, wie fachkompetent und wie qualitativ die medizinischen Inhalte sind, ob dieses leitliniengerecht sind. Es gibt für diese Apps ohne DiGA-Siegel also keine Studien, dass sie wirklich einen Mehrwert machen. Da weiß man nicht, wie qualitativ hochwertig die Inhalte auch wirklich sind, ob das der Leitlinie entspricht oder hausgemachte Empfehlungen sind. Da weiß man vor allem auch nicht, wo die Daten landen. Also Datenschutz und Datensicherheit sind bei solchen medizinischen Themen natürlich ein Riesenthema.

Eine App zu bauen ist wahnsinnig teuer, das heißt, irgendein Geschäftsmodell muss dahinterstecken. Und wenn die Kosten nicht über eine DiGA finanziert werden, dann kann es eigentlich nur Datenverkauf oder Datenhandel oder Werbung oder irgendein anderes Interesse sein.

Man muss, wenn man Patientinnen eine App empfiehlt oder sie beraten soll, sehr gut gucken: Was steht im Impressum, wer steckt dahinter? Was ist das? Die Apps, die keine DIGA sind, haben zwar einen riesengroßen Vorteil, weil sie sich eben nicht an Datenschutz und Datensicherheit halten müssen, dass sie machen können, was sie wollen. Sie können einfach alles ganz schick machen. Und das ist der Riesen-Nachteil bei DIGAs. All das, was wir tun, unterliegt natürlich einer Vielzahl an Beschränkungen, weil man immer den medizinischen Nutzen nachweisen muss. Und weil man gucken muss, dass die Daten in Deutschland gehostet werden. Und viele Programmierungstools, kleine Schnittstellen, vieles, was man an kleinen Programmen einbauen könnte, damit die App noch netter und noch funktionaler ist, sind oft verboten, weil die entsprechenden Programme zum Beispiel nicht von europäischen oder deutschen Anbietern kommen, sondern von den chinesischen oder den amerikanischen. Und dann dürfen wir diese zum Beispiel nicht verwenden. Also ein ganz konkretes Beispiel ist der Schrittzähler. Wenn man die App mit Wearables koppeln will, dann braucht man eine entsprechende Schnittstelle. Da dürfen bei einer DiGA keine Daten nach China und nach Amerika abfließen. Das ist alles im Sinne der Patientinnen, macht's aber viel komplizierter und komplexer. Und das ist ein Nachteil von DiGAs. Man darf auch nicht einfach irgendetwas verbessern und entwickeln, sondern alle Änderungen müssen dem BfArM angezeigt werden. Dadurch ist die DiGA-Entwicklung anspruchsvoller, vielleicht auch einen Tacken schwerfälliger, am Ende aber natürlich im Sinne der Patientinnen .

[12:30] Noch mal zum Beispiel Schrittzähler ...

Pia Wülfing: ... der Schrittzähler im Smartphone zählt ja die Schritte. Aber einige Patientinnen wollen das Smartphone vielleicht gar nicht mitnehmen, wenn sie spazieren , walken gehen, was auch immer. Und wenn sie dann ein Wearable koppeln wollen, also eine Smartwatch (es gibt ja verschiedene Armbänder, die auch mitzählen) - dann müssen Sie eine Schnittstelle integrieren. Und allein an solchen kleinen Dingen scheitert es manchmal. Oder macht es kompliziert, weil die AV Verträge (AV-Vertrag: Auftragsverarbeitungsvertrag mit dem BfArM, Anm.d.R.) geprüft werden müssen, unser Datenschutzbeauftragter erst mal prüfen muss, ob das zulässig ist usw.

[13:20] Wie stellen Sie sicher, dass sich die Patientinnen nicht allein auf die App verlassen?

Pia Wülfing: Ach, die Frage stellt sich bei PINK! Coach eigentlich nicht, weil die Patientinnen von uns ja keine medizinischen Ratschläge bekommen. Da würden wir uns nicht einmischen wollen. Und das kann und soll eine App auch nicht leisten.

Wir sind eher komplementär zu sehen, wenn man so will. Und auch die Inhalte sind ja eher komplementär und nicht das, was die Ärzte in der Regel besprechen oder das, was auch ärztliche Entscheidungen angeht.

Bei uns erfährt die Patientin, und zwar das absolut auf hohem wissenschaftlichen Niveau recherchiert, ob beispielsweise Milch zulässig ist, ob sie Milch trinken darf. Das klingt vielleicht banal, aber das fragt sich jede Patientin in der Sprechstunde, weil sie irgendwo gelesen hat, Kuhmilch wäre nicht gut bei Brustkrebs. Und genau solche Sachen muss man ja dann vernünftig begründen und einordnen. Und das hat in unserer App unser Ernährungsexperte Professor Smollich getan. Und bei dem Detailwissen zu diesen medizinisch wichtigen, aber eher komplementären Themen, das PINK! Coach bietet, wage ich, ohne Kollegen in Misscredit bringen zu wollen, zu bezweifeln, dass wir onkologisch tätigen Ärzte das wirklich auf diesem hohen Niveau beantworten könnten. Also sprich, es sind einfach andere Dinge, die wir den Patientinnen mit PINK! Coach mitgeben und wo wir ihnen Sicherheit vermitteln, eben in den normalen Bereichen des Lebens. Die DiGA-Nutzung ersetzt aber auf gar keinen Fall einen regulären Arztbesuch. Es ist eher so, dass wir die Unsicherheit der Patientinnen reduzieren und es den Patientinnen besser geht. Und das wirkt sich wieder positiv auf die Lebensqualität, die Psyche und dann auch auf die Prognose der Frauen aus.

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Wir haben in unserer Studie zeigen können, dass die Patientinnen psychisch weniger belastet sind, wenn sie die App genutzt haben, im Vergleich zur Kontrollgruppe, die keine App hatte. Dass sie weniger Fatigue, also chronische Müdigkeit, hatten, dass sie sich mehr bewegt haben trotz Chemotherapie. Wir konnten jetzt auch zeigen, dass der BMI, also der Body Mass Index, das Gewicht, runter geht, trotz Antihormontherapie. Also wir können eine Menge Dinge bewirken. Und ich glaube darüber hinaus, dass  Patientinnen, die wir mit der App "empowern", weniger überflüssige Arztbesuche machen, sogenanntes Arzthopping, um den dritten Arzt nach Milch zu fragen oder den dritten Arzt nach den Vitaminen oder was auch immer zu fragen. Solche Dinge werden wir durch die App sicherlich vermeiden.

Das, was ärztlich besprochen werden muss und was streng medizinisch ist, an die Inhalte gehen wir gar nicht dran.

[15:38] Sie haben jetzt im November den PINK! Kongress mit einer Wahnsinns-Fülle an Experten und Expertinnen, die Sie eingeladen haben. Inwiefern arbeitet PINK! mit der Forschung zusammen? Und wie ist gewährleistet, dass die Nutzerinnen von PINK! von den neuesten Behandlungsmethoden erfahren? Es geht ja - zumindest in der App - eigentlich weniger um Behandlungsmethoden , sondern eigentlich um alles andere drumherum.

Pia Wülfing: Ja, im Rahmen der App. Der Ansatz der App PINK! Coach-Ansatz ist eher Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit. In diesen Bereichen ist natürlich eine Menge Forschung im Hintergrund, und die Inhalte werden regelmäßig aktualisiert und angepasst. Auch wenn eine neue Publikation kommt, wird die Erkenntnisse entsprechend von den Sportwissenschaftlern und Ernährungswissenschaftlern etc. eingepflegt. Beim PINK! Kongress haben wir aber viele andere Themen, die wir auch im Rahmen der zweiwöchentlichen Webinare und auf unserer Website adressieren. Das sind zum Teil ganz streng medizinische Themen, wie wir sie auch in der Klinik besprechen würden oder in der Praxis. Wir suchen uns die Schwerpunkte, bei denen wir sagen würden, das ist jetzt gerade relevant und aktuell, das sollten Patientinnen wissen, auch wenn sie vielleicht in kleineren Brustzentren in Behandlung sind. Und da suche ich mir dann immer Kollegen, mit denen ich das dann zum Beispiel in Form eines Webinars aufarbeite. Und dann verschriftlichen wir das hinterher so, dass es auch auf der Website zu finden ist. Und im Rahmen des Kongresses bieten wir  dann einen bunten Blumenstrauß zu allen Themen und da kann sich jede Patientin über diesen langen Nachmittag raussuchen, was sie interessiert.

Und was Forschung angeht: Wir machen natürlich auch eigene Forschung. Wir müssen ja alle digitalen Produkte, die wir entwickeln, ja sowieso im Rahmen von Studien erforschen, wenn wir sie in die Erstattungsfähigkeit bekommen wollen. Und wir gucken natürlich, dass wir alles, was relevant ist, auch wirklich den Patientinnen mitteilen. Als kurze Meldungen auf der Website, über den Newsletter etc. Und wenn ärztliche Kollegen eine tolle Studie anbieten und Patientinnen suchen, dann adressieren wir das im Rahmen von Posts oder eben auch über den Newsletter. Wir haben im Moment zum Beispiel auf der Websiteeinen entsprechenden Studienaufruf für die Uniklinik Köln. Es wenden sich einfach viele Kliniken, Studiengruppen etc. mit solchen Bitten an uns, weil wir fast alle Brustkrebspatientinnen auf unserer Seite haben.

[17:50] Damit erübrigt sich die nächste Frage - Sie schreiben nämlich, dass Sie sich komplett von der Pharmaindustrie unabhängig finanzieren, alleine durch die Erlöse der App. Ich hatte mich gefragt, ob das funktioniert. Wenn Sie alle Brustkrebspatientinnen schon auf Ihrer Website haben und dann sicherlich auch sehr viele Nutzerinnen der App, sind Sie wahrscheinlich sehr erfolgreich - und es klappt?

Pia Wülfing: Ja! Zum Glück. Also es ist jetzt nicht so, dass wir uns entspannt zurücklehnen könnten, wer kann das schon? Und man muss sagen, in diesem Digital Health Bereich ist ja im Moment eine Menge Bewegung. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass man sagen würde, das, was man dafür im Quartal bekommt, ist luxuriös, auch wenn es sich vielleicht als Summe so liest. Aber der Aufwand hinter der DiGA-Entwicklung und dem Betrieb ist so beträchtlich, dass man schon sehr, sehr, sehr viele Nutzerinnen braucht, damit es profitabel ist. Aber das haben wir erreicht. Und damit eben Weiterentwicklung möglich ist – und da ist noch Luft nach oben. Wir wollen natürlich noch viel mehr Nutzerinnen haben und noch viel mehr Produkte anbieten. Aber wir haben tatsächlich so ein - nennen Sie es Social Entrepreneurship oder wie auch immer ...

 ... wir haben tatsächlich den Ansatz, dass wir eine Menge Angebote pro bono anbieten - eigentlich alles andere außer der DiGa. Und dass wir auch wirklich unabhängig von jeglichem Geldgeber sind.

[19:05] Sie haben schon Ihre Studien angesprochen, aus denen Sie die Ergebnisse haben: Dass sich die Patientinnen tatsächlich weniger psychisch belastet fühlen, dass das Fatiguesymptom, also das Gefühl der Erschöpfung, sich deutlich reduziert, die Menschen sich mehr bewegen, der Body Mass Index sich reduziert. Können Sie sich vorstellen, dass zumindest Ihr digitaler Coach auch für Menschen mit anderen Krebserkrankungen oder auch mit chronischen Erkrankungen hilfreich wäre? Und gehen da auch Ihre Bestrebungen hin?

Pia Wülfing: Unbedingt. Das müssen die nächsten Schritte sein. Also man muss ja sagen, dass man das PINK! Coach-Konzept auch viele Erkrankungen übertragen kann, sowohl auf andere Krebserkrankungen als auch auf andere chronische Erkrankungen, auch von der Zielsystematik her. Und ja, dazu machen wir uns Gedanken.

Damit haben Sie ein wunderschönes Schlusswort gesprochen. Wir, das Team der Christoph Lohfert Stiftung, wünschen Ihnen dafür weiter viel Erfolg und drücken die Daumen! Ich freue mich, wenn wir uns bei der Preisverleihung am 19.09. im Rahmen des Hamburger Gesundheitswirtschaftskongresses sehen.

Pia Wülfing: Ich werde da sein, vielen Dank!

Hamburg, im August 2023


Moderation, Redaktion & Produktion: Julia Hauck / Headerfoto: pixabay / evtl. Slider: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2017 / Musik im Podcast: www.audiyou.de Markus Hildebrandt / Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wider. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.

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