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Wie gelingt uns eine exzellente Versorgung der Patient:innen bei höchstmöglicher Zufriedenheit der Beschäftigten?

27. Februar 2023

Lohfert-Preis

Joachim Prölß ist Direktor für Patienten- und Pflegemanagement am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und als Vorstandsmitglied auch für Personalangelegenheiten verantwortlich. Außerdem engagiert er sich ehrenamtlich in der Jury des Lohfert-Preises sowie im Vorstand der B. Braun Stiftung. Wir haben ihn anlässlich der Auschreibung des Lohfert-Preises 2023 zum Thema nachhaltige Gesundheitsversorgung per E-Mail gefragt: Wie sieht Pflege im Krankenhaus in Zeiten des Fachkräftemangels aus? Wie organisiert sie sich in Zukunft? Und: Welche Rolle spielt sie in einer nachhaltig ausgerichteten Gesundheitsversorgung?
Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement sowie Personalvorstand am UKE, (c) UKE
Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement sowie Personalvorstand am UKE, (c) UKE
 
Herr Prölß, das UKE ist mit seinen über 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern drittgrößter Arbeitgeber Hamburgs. Sie sind am UKE sowohl für das Patienten- und Pflegemanagement als auch für Personalangelegenheiten verantwortlich. Was beschäftigt Sie gerade am meisten?

Die Corona-Pandemie war ein Zustand dauerhafter Krisenbewältigung. Jetzt sind wir froh, dass wir uns wieder mit Strategie und Weiterentwicklung beschäftigen dürfen. Die geplanten neuen Reformen werden enorm herausfordernd sein, bieten aber für das Gesundheitssystem und die Kliniken enorme Chancen. In meinem Ressort stehen die Menschen natürlich an erster Stelle. Wie gelingt uns eine exzellente Patient:innenversorgung bei höchstmöglicher Zufriedenheit der Beschäftigten?

Die Fachkräftebindung und -gewinnung sind und bleiben daher aus meiner Sicht die Erfolgsfaktoren Nr. 1.

Wir verfolgen schon seit vielen Jahren eine klare Strategie „attraktivster Arbeitgeber“ zu sein. Hierzu stellen wir uns sehr breit auf und versuchen wirklich das gesamte Spektrum, das Zufriedenheit positiv beeinflussen kann, zu bespielen.

Dabei muss aber immer deutlich gemacht werden: Es geht um unsere Patient:innen. Zufriedene Mitarbeiter:innen erhöhen die Versorgungsqualität und das Ganze funktioniert natürlich auch genau andersherum. Es kommen auch immer wieder neue Aspekte hinzu, mit denen wir uns intensiv beschäftigen müssen. Die Klimakrise und die damit verbundenen großen Zukunftssorgen - insbesondere der jungen Menschen – spielen beispielsweise auch bei der Arbeitsplatzattraktivität eine größere Rolle. Mitarbeitende oder potentielle Beschäftigte schauen sich sehr genau an, wie wir uns als großes Unternehmen hier positionieren und stellen auch sehr konkrete Fragen.

Stichwort Fachkräftemangel: Auf der Homepage des UKE erzählen Mitarbeitende aller Bereiche ihre persönliche „Story“, wie und warum sie am UKE arbeiten – da geht es neben der Förderung fachlicher Kompetenzen um Jobsharing in Führungspositionen, Schichtdienste ohne Nachtschichten oder bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Hebel, um vor allem den Fachkräftemangel in der Pflege (und in der Gesundheitsversorgung darüber hinaus) wirkungsvoll zu begegnen?

Zu dieser Frage gibt es eine gute Evidenz. Beispielsweise hat das Forschungsnetzwerk Gesundheit der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen in einer Studie im Jahre 2021 die entscheidenden Punkte erneut zusammengetragen: Arbeitsbedingungen, die eigene Gesundheit, Ethik/Berufsethos, Bezahlung, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und Professionalisierung. Dahinter verbergen sich sehr zahlreiche Aspekte, die allerdings die einzelnen Beschäftigten für sich auch sehr unterschiedlich gewichten. Und natürlich gibt es Themen, die einerseits gesellschaftlich bzw. politisch bewegt werden müssen und andererseits auf der betrieblichen Ebene. Im UKE stellen wir uns hierzu sehr breit auf. Wir versuchen wirklich nahezu jedes Thema zur Erhöhung der beruflichen Zufriedenheit zu bespielen. Sie haben in Ihrer Frage zwei Aspekte davon genannt. Und tatsächlich: Arbeitszeitautonomie, New Work-Ansätze und Personalentwicklung mit individuellen Karrieremöglichkeiten spielen eine herausragende Rolle.

Das Konzept des New Work schwappt seit einiger Zeit aus der Industrie in den Dienstleistungssektor. Die Kernelemente des – ja immerhin auch schon 50 Jahre alten Modells – liegen neben einem vertrauensbasierten und wertschätzenden Ansatz in flexiblen Arbeitszeit- und Vergütungsmodellen sowie in der Übereinstimmung von erwarteten und realen Arbeitsbedingungen und der Möglichkeit sich fortzubilden. Darüber hinaus geht es auch um die Möglichkeit von Mitbestimmung und flache Entscheidungsstrukturen, die u.a. zu einer höheren Arbeitszufriedenheit führen können. Inwieweit lassen sich neuere Formen von Arbeitsorganisation mit den Notwendigkeiten eines großen Krankenhauses in Einklang bringen? Wo steht das UKE?

Wir verfolgen seit Jahren einen doppelten Ansatz, plakativ ausgedrückt top down und bottom up. Damit meine ich, dass der Kulturwandel zunächst sehr ernsthaft von oben gewollt und initiiert werden muss. Auf der Basis eines zeitgemäßen Führungsverständnisses qualifizieren und befähigen wir alle Führungsebenen.

Das Führungsverständnis ist der unverhandelbare Wertekompass. Hierzu gehören besonders die Kernelemente Respekt, Vertrauen, Transparenz und Partizipation. Bei den zahlreichen Berufsgruppen im UKE steht die Interprofessionalität sehr im Vordergrund: Jede und jeder ist wichtig und Teil des gemeinsamen Erfolgs.

Das klingt natürlich jetzt alles sehr einfach, ist aber in unserem großen Unternehmen eine riesige Aufgabe und man wird damit nie wirklich „fertig“ sein. Insbesondere Universitätskliniken haben teilweise noch ein größeres Maß an Hierarchiegläubigkeit. Und natürlich brauchen wir von unten nach oben auch aktive, selbständige und auch leistungsbereite Mitarbeiter:innen, die sich aktiv einbringen, flexibel, kreativ und innovativ sind.

Hierfür haben wir klare Beteiligungsstrukturen im UKE verankert, bei denen jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter willkommen ist. Im Vordergrund steht dabei, auch immer alle Professionen zu berücksichtigen.

Die aktuell eher stärker wahrnehmbare „Jammerkultur“, insbesondere der Pflegegruppe, wirkt hier manchmal kontraproduktiv und führt zur Passivität, anstatt „Dinge“ gemeinsam anzupacken und gemeinsam nach Verbesserung zu streben. Aber nach über zehn Jahren auf diesem Weg können wir insgesamt mit unserem personalpolitischen Ansatz sehr zufrieden sein.

Aktuelles zum Lohfert-Preis 2023

Am UKE hat Thema Nachhaltigkeit seit vielen Jahren eine hohe Relevanz. Durch vielfältige Aktivitäten für bessere Nachhaltigkeitswerte und Klimaschutz sieht sich das Universitätsklinikum in einer Vorreiterrolle auf dem deutschen Gesundheitsmarkt.

Ja, das stimmt. Mit dem „Grünen UKE“ haben wir uns schon Anfang der 2010er-Jahre beschäftigt. Vor drei Jahren haben wir eine spezielle Unit Klimamanagement/Nachhaltigkeit gegründet, die direkt an den Vorstand berichtet. Seitdem hat dieses Thema im UKE enorm Fahrt aufgenommen, so dass wir jetzt auch aufgrund der verschärften gesellschaftlichen Debatte ganz vorne mit dabei sind. Das Kernziel unserer Nachhaltigkeitsstrategie ist die permanente Reduktion des CO2-Ausstoßes und der Umweltbelastung, die durch den Betrieb des UKE-Konzerns entstehen. Hierzu werden zahlreiche Maßnahmen und Projektpläne entwickelt und umgesetzt und in einem umfassenden Kennzahlensystems dauerhaft nachverfolgt und sichergestellt.

Im UKE orientieren sich sämtliche betrieblichen Prozesse an den Sustainable Development Goals und berücksichtigen sie.

Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen dienen weltweit als Ziele für nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene. Im UKE orientieren sich sämtliche betrieblichen Prozesse an diesen SDGs und berücksichtigen sie. Aktuell ist eines unserer Ziele, bis zum Jahr 2040 CO2 neutral zu sein. Die einzelnen Themen bzw. Projekte sind unglaublich vielfältig. Einfluss haben sicher besonders die großen Blöcke, wie z.B. die Frage, aus welchen Quellen wir unsere Energie beziehen. Aber wir sind überzeugt, dass am Ende alle Maßnahmen auf unser CO2  - Ziel einzahlen werden: von Elektromobilität, über Bio-Essen bis zur Stärkung des individuellen nachhaltigen Verhaltens, um nur drei konkrete Beispiele zu nennen.


Berliner Aufruf

Im Oktober 2021 hatte übrigens die B. Braun Stiftung, deren stellvertretender Vorstandsvorsitzender Joachim Prölß auch ist, zusammen mit der Optimedis AG den "Berliner Aufruf für mehr Patientennutzen im Gesundheitswesen" initiiert.  Der Nutzen der Gesundheitsversorgung  müsse neben der bestmöglichen Therapie und Genesung der Patient:innen vor allem auch in der Prävention und Gesundheitserhaltung liegen, letztlich mit dem Ziel einer hohen Lebenserwartung bei gleichzeitig möglichst hoher Lebensqualität. Das wiederum steht im Einklang mit den Zielen einer möglichst nachhaltigen Gesundheitsversorgung, die sich neben den demografischen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft auch dem Fachkräftemangel und der steigenden Anzahl klimabedingter Krankheiten stellen muss. Der Aufruf ist nach wie vor offen für weitere Unterzeichnende: https://optimedis.de/berliner-aufruf/!

Hamburg, im Februar 2023

 Das Headerfoto stammt von Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2015.

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