Lohfert-Preis
Das Projekt „Kinder-IPSTA - Interprofessionelle Ausbildungsstationen in der Kinderkardiologie“ am Universitätsklinikum Bonn wurde von der Jury des Lohfert-Preises 2024 lobend erwähnt. Wir haben mit der Projektleiterin und Oberärztin Dr. Anthea Peters und der Lernbegleiterin und Kinderkrankenschwester Christina Kariyawasam gesprochen:
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01:20 - Über interprofessionelle Ausbildungsstationen, auf denen Auszubildende verschiedener Berufsgruppen zusammen auf Station „praktisch am Patienten lernen“ – sie tragen gemeinsam über drei Wochen Verantwortung für die Patientenversorgung, indem sie die Patient:innenen im besten Fall von der Aufnahme bis zur Entlassung betreuen.
„So bekommen die Auszubildenden einerseits Eigenverantwortung und machen nicht nur kleine Aufgaben - sonst werden sie ja häufig nur zum Blutabnehmen geschickt oder mal zum Blutdruck messen -, sondern sie sehen die gesamte Patientengeschichte von vorne bis hinten. Und zum anderen arbeiten sie ganz, ganz eng zusammen und lernen die Aufgaben und die Fähigkeiten der anderen Berufsgruppe kennen.“ (Anthea Peters)
02:40 - Die Bonner Kinder-IPSTA geht auf die Heidelberger HIPSTA zurück - mit Anpassungen an das Fach Kinderkardiologie
„Wir haben jetzt als Kinder-IPSTA den fünften Geburtstag gefeiert“ (Anthea Peters)
03:13 - Über interprofessionelle Kompetenz und die Kompetenz zur interprofessionellen Kommunikation
„Grundsätzlich ist Interprofessionalität irre wichtig in der Zusammenarbeit - das in der Ausbildung schon früh zu lernen, damit es bessere Abstimmungen gibt zwischen der Pflege und dem ärztlichen Bereich.“ (Christina Kariyawasam)
04:15 - Ein typischer Tag auf einer interprofessionellen Ausbildungsstation – grundsätzlich in Begleitung einer pflegerischen und medizinischen Lernbegleitung:
Nach der Übergabe an den Spätdienst gibt es dann die Mittagsreflexion, in der über den Tag gesprochen und dann geguckt wird, was ist passiert, was sind wir vielleicht für Herausforderungen begegnet und dann im Team gesammelt wird: „Was kann man besser machen, was kann man vielleicht anders machen?“ (Anthea Peters)
07:32 - Über die Frage, ob interprofessionelle Aufnahmen und Visiten zwischen Pflege und Medizin nicht prinzipiell erstrebenswert wären
„Was auch auffällt, ist, dass gerade in den Bereichen, wo wir die IPSTA durchführen, also in der Kinderherzchirurgie genauso wie in der Kinderkardiologie, die Benefits klar auch für die Stationen ersichtlich sind. … da findet schon ein gewisses Maß an Interprofessionalität auch statt. Also die Stationen profitieren auch davon, weil sie natürlich auch mitbekommen, wie das innerhalb dieser IPSTA läuft und ziehen dann natürlich ihre positiven Rückschlüsse auch für ihren eigenen Arbeitsalltag.“ (Christina Karyiawasam)
09:15 – Patientensicherheit ist oberstes Gebot - über die IPSTA auf der Intensivstation:
Die IPSTA dort ist beschränkt auf die Frühschicht und auf ein Patientenzimmer. Für alle Stationen gib es ein besonderes Sicherheitskonzept:
„Wir waren in der Konzeptionsphase auf einer anderen IPSTA - in Freiburg war das, eine Kinder-IPSTA auch. Und da sagte ein Student, der Teilnehmer war: „Ja, das ist ein super Projekt, und ich fühle mich auch ganz sicher. Wir machen ja nicht so was Verrücktes, wie, dass wir uns um herzkranke Säuglinge kümmern.“ Und dann musste ich ein bisschen lachen, weil, naja, das ist genau das, was die IPSTA-Teilnehmer bei uns machen müssen. Also sie müssen sich um herzkranke Säuglinge kümmern. Und deshalb haben wir dann tatsächlich auch ein ganz eigenes Sicherheitskonzept erstellt.“ (Anthea Peters)
13:54 - Über die Frage, inwiefern interprofessionelle Zusammenarbeit die Arbeitsdynamik und das Teamgefühl verändert und den schönen Effekt, dass viele ehemalige IPSTA-Teilnehmende nach der Ausbildung auf den Kinderkardiologischen Stationen arbeiten möchten (Auf einer Station haben in fünf Jahren 13 Pflegekräfte, die ehemals aus der IPSTA kamen, angefangen zu arbeiten).
„Da haben wir natürlich einen totalen Benefit für die Station, weil die total kompetente, gut geschulte Mitarbeiter damit rekrutieren kann. Zum anderen haben wir diese interprofessionelle Idee, die dann in das Team mit reingetragen wird. Man muss sagen, wirklich alle Stationen unterstützen unser Projekt total toll, sonst könnte so ein Projekt nicht laufen. Also nur dadurch, dass die Stationen dafür sind und dahinter stehen und das möglich machen, können wir das überhaupt so durchführen.“ (Anthea Peters)
15:20 - Zum Fachkräftemangel auf der Kinderintensivstation und die Sicherheit im Umgang auch mit schweren Erkrankungen, die IPSTA schon vor Arbeitsbeginn vermitteln kann:
„Auf der Intensivstation ist gerade, glaube ich, ausschlaggebend, dass wir da feststellen, dass wir die Ängste abbauen. Gerade in der Ausbildung zur Pflegefachkraft sind die Ängste natürlich auf der Intensivstation, sich dann einzusetzen, recht hoch. Und durch dieses sehr betreute Lernen am Anfang setzen wir da auch diese Schwelle runter, dass die Berührungsängste nicht mehr so groß sind.“ (Christina Kariyawasam)
"Also unser Motto ist tatsächlich Lernen mit Respekt, aber ohne Angst. Natürlich brauchen wir Respekt. Das sind schwerkranke Kinder. Aber es soll keiner Angst haben bei uns. Und ich denke, im Vergleich zum normalen PJ ist es so, dass einfach ganz viel Feedback gegeben wird.“ (Anthea Peters)
17:32 - Über den Faktor Zeit und Personal im Projekt
„Wir betreuen meistens eine Patientengruppe von zwei bis maximal drei Kindern. Es kann auch mal ein vierter noch dazukommen, wobei wir schon festgestellt haben, dass es dann manchmal schon einfach zu viel. Und das gibt uns natürlich einfach deutlich mehr Raum.“ (Christina Kariyawasam)
„Also wir haben zum Beispiel unser Projekt auf der Normalstation – das ist durch das Studiendekanat gefördert. Das Projekt auf der Intensivstation ist durch die Stiftung Kinderherz gefördert. Nur dadurch haben wir auch diese personellen Ressourcen, um dieses Projekt so besetzen zu können und so durchführen zu können.“ (Anthea Peters)
19:42 - Nachmachen empfohlen! Über die Projektanfänge, die vielen Beteiligten und die größten Herausforderungen
"Das erste ist, wenn jemand auf diese Idee kommt (IPSTA einzuführen): Das ist eine grandiose Idee. Kann ich total empfehlen, darf gerne auf mich zukommen! …
"… es sind so viele Leute, die an einen Tisch gebracht werden müssen und die überzeugt werden müssen, dass es schon am Anfang ein dickes Brett zu bohren ist. ... Diese Kommunikation mit allen Beteiligten, das ist schon eine Herausforderung, weil man natürlich einerseits schnell vorankommen will. Man prescht vor, hat Ideen und dann geht es mir jetzt auch immer noch so, dass man manchmal vergisst, einen Player mit zu involvieren oder so, weil man - gar nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Unachtsamkeit - und das ist wirklich, glaube ich, eine Herausforderung, in diesem Projekt sehr sensibel zu kommunizieren. Und ich denke, auch wir als Projektbegleitende und Projektinitiatoren sind auch interprofessionell total fit geworden in dieser Zeit. Weil wir natürlich selber auch so interprofessionell zusammenarbeiten mussten, dass uns das auch noch mal geschult hat und vorangebracht hat." (Anthea Peters)
22:41 - Auch nach manchmal anfänglicher Skepsis - über die durchweg positiven Rückmeldungen der Patient:innen und ihrer Eltern
25:51 - Über Wünsche für die Zukunft
„IPSTA sollte selbstverständlich sein. Also wir kämpfen natürlich schon auch kontinuierlich darum, dass wir die Ressourcen zur Verfügung gestellt kriegen, die wir brauchen. Also vor allem personelle Ressourcen, die wir für dieses Ausbildungsprojekt brauchen. Und ich würde mir wünschen, in einer Zukunft, dass die Ausbildung eigentlich nur noch so läuft, also dass es ganz selbstverständlich ist, dass man eine IPSTA macht und dass in jeder Ausbildung IPSTA ein Teil sein sollte.“ (Anthea Peters)
Eigentlich sollte jeder Auszubildende die Möglichkeit haben, sich im Rahmen solch einer Station „auszuprobieren“, in Anführungszeichen oder halt einfach Selbstbewusstsein zu gewinnen, weil ansonsten hat man die Möglichkeit erst wenn man fertig ist und wird dann ins kalte Wasser geschmissen. Und für uns wünsche ich mir vor allem weiterhin engagierte Teilnehmer, motivierte Teilnehmer, die mit Freude teilnehmen. (Christina Kariyawasam)
27:43 - Last but not least: Über die weltweit erste IPSTA auf einer kinderkardiologischen Intensivstation.
„Also da haben wir jetzt wirklich auch noch mal Neuland betreten und das haben wir uns natürlich auch erst getraut, nachdem wir so gute Erfahrungen auf Normalstation gemacht haben und haben da natürlich konzeptionell auch noch mal Einiges anpassen müssen.“ (Anthea Peters)
Die IPSTA auf der kinderkardiologischen Intensivstation ist – als „Onboarding“ - auch offen für die Einzuarbeitenden, die dort fünf Wochen teilnehmen können, denn:
„wir erhoffen uns auch da, dass wir zum Beispiel Rückkehrer aus der Elternzeit oder Leute, die vielleicht von Normalstationen kommen und sich aber nicht so ganz trauen, auf Intensivstation anzufangen, dass wir solche Leute motivieren können, indem wir sagen: „Guckt mal, ihr kriegt einen ganz guten Einstieg, ganz geordnet in dieser IPSTA, traut euch, kommt in die Kinderherz-Intensivmedizin." Und die Kinderintensivmedizin ist wirklich eines der Felder, wo der Fachkräftemangel am aller dramatischsten ist. Also wir haben wirklich Herzoperationen, die nicht stattfinden können, weil es keine freien Betten gibt. Die Betten sind physisch da. Es gibt einfach nur kein Personal, das sich um diese Betten und die Patienten dann kümmern könnte. Da muss also dringend was getan werden und das geht die Uni Bonn an." (Anthea Peters)
Bonn/Hamburg, im September 2024
Moderation, Redaktion: Tanja Brunner, Julia Hauck / Produktion: Julia Hauck / Faktencheck: Dr. Thomas Lehnert / Headerfoto: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2013 / Intro/Outro: www.kurtcreative.de / Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wieder. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.