Lohfert-Preis
Besonders wichtig ist ihm die Umstellung der Essensversorgung, weg von High Convenience hin zur Frischküche mit regionalen und Bio-Produkten. Dabei denkt er nie nur an die Patient:innen, sondern auch an die Belegschaft, denn, so sein Credo: „Das Mitnehmen der Beschäftigten war für mich immer das A und O.“ Wir haben mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen, warum er auch heute noch das umfassendere europäische EMAS dem Energiemanagement nach ISO 50001 vorzieht, wieso ihn EMAS immer gut schlafen ließ und worauf es ihm als Gastjuror des Lohfert-Preises ankommt.
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01:47: Wie es dazu kam, dass Thomas Voß das erste EMAS - das europäische Umwelt- und Managementsystem - in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus eingeführt hat
„Als im Jahre 1998 das EMAS-System, das europäische Umweltmanagementsystem, auf die Gesundheitsbranche erweitert wurde hat die damalige Umweltministerin in Nordrhein Westfalen, Bärbel Höhn, gesagt: „Wir werden wahrscheinlich die Krankenhäuser ein bisschen zum Jagen tragen müssen." Also hat sie ein Projekt aufgelegt und mit diesem Projekt war eine Förderung verbunden: Zehn Krankenhäuser in Nordrhein- Westfalen sollten auf eine EMAS Validierung vorbereitet und Ende 1999 validiert werden.“
03:39: Wie EMAS zur Systematisierung der bis dahin einzelnen Maßnahmen beigetragen hat
„Ein Managementsystem lebt ja vom P-D-C-A-Zyklus, Plan – Do – Check – Act - diesem permanenten Verbesserungsprozess. Und daran hat uns tatsächlich EMAS herangeführt: Sie müssen Jahr für Jahr neue Umweltziele setzen, Sie müssen Jahr für Jahr entsprechend nachweisen, was und wie Sie umgesetzt haben, Kennzahlen veröffentlichen, was welchen Erfolg gebracht hat. Und das war, wie gesagt, die absolute Initialzündung, auf der sich alles Weitere später aufgebaut hat.“
04:40: Was Thomas Voß besonders geprägt hat: die Erfahrung, dass die Belegschaft begeistert mitmacht
Also ganz besonders geprägt hat mich die Tatsache, dass wir unheimlich viele Beschäftigte im Gesundheitswesen haben, die auch privat für dieses Thema brennen, die aber im betrieblichen Umfeld wenig berücksichtigt werden. Das Mitnehmen der Beschäftigten war für mich immer das A und O! … Und die waren mit einem solchen Feuereifer dabei. Das hat mir noch einmal gezeigt, wenn wir die Menschen beim Herzen packen können, wenn wir sie emotional berühren können mit den Themen, dann erreichen wir auch was. Und das war für mich auch noch mal so ein ganz prägendes Erlebnis. … Aber Grundvoraussetzung ist: Die Führungsspitze muss auch mitmachen und überzeugt sein.
06:45: Über die Überzeugungsarbeit, die es brauchte, um die Akzeptanz für das das EMAS tatsächlich auch bei allen Beschäftigten zu erreichen
Die Reputation unserer beiden Kliniken in Münster und Lengerich ist an diesem Thema unglaublich gut gewachsen, weil wir unzählige positive Berichterstattungen auch in der Lokalpresse hatten. Und spätestens das hat auch alle Beschäftigten davon überzeugt, es macht Spaß, es macht Sinn mitzumachen.
10:55: Thomas Voß über die Frage, welche Bedeutung das Thema ökologische Nachhaltigkeit zurzeit in den Kliniken besitzt und warum es nicht nur auf technisch-bauliche Maßnahmen ankommt
Wenn ich im Winter durchs Gelände gehe und sehe, dass die Fenster auf Kipplüftung stehen und dahinter ist der Heizkörper an, dann weiß ich, ein ganz großer Teil hängt nicht an der Technik, hängt nicht am Bau, sondern an menschlichem Verhalten - die Menschen müssen wir auch mitnehmen. Und da, glaube ich, liegt noch ein mindestens genauso großes Pfund. Das ist auch Kärrnerarbeit, die man da leisten muss, aber ich glaube, da liegt ganz viel Potenzial.
12:44 : Thomas Voß über die größten Umweltbelastungen, die von Krankenhäusern ausgehen, über die Maßnahmenfelder, mit denen Verantwortliche im Krankenhaus konfrontiert sind und mögliche "low hanging fruits":
Ich kenne das aus dem Thema CSRD, mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse eine Bestandsaufnahme zu machen – „Wo bin ich eigentlich und wo ist in meinem Bereich, in meinem Krankenhaus der größte Schatz zu heben?“. Man fängt natürlich immer bei den low hanging fruits an, wie man so schön sagt, und arbeitet sich weiter fort. Mein Credo an der Stelle ist, im doppelten Sinne des Wortes: Einfach mal anfangen!
15:02: Thomas Voß über einen der größten Hebel, CO2 zu reduzieren: die Ernährung im Krankenhaus
Ich erreiche damit ja nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch viele 100.000 Beschäftigte im Gesundheitswesen, die auch in der Einrichtung tatsächlich essen. Das ist für mich einer der größten Hebel, die wir an der Stelle haben.
[Ich gucke,] dass ich auch Produkte aus ökologischem Landbau bekommen kann, wenig Fleisch, mehr pflanzliche Ernährung. Da kann ich unglaublich viel erreichen. Und auch das muss man einfach sagen: Wenn es gut aussieht und lecker schmeckt, kommt es auch bei allen gut an, selbst bei den notorischen Fleischessern. Diese Erfahrung habe ich auch tatsächlich gemacht.
"Mit dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) sind Unternehmen in der Lage, Ressourcen intelligent einzusparen. EMAS-geprüfte Organisationen leisten einen wirksamen Beitrag zum Umweltschutz, sparen Kosten ein und zeigen gesellschaftliche Verantwortung. EMAS stellt sicher, dass alle Umweltaspekte von Energieverbrauch bis zu Abfall und Emissionen rechtssicher und transparent umgesetzt werden... Wer sein Engagement nach innen und außen kommuniziert, bindet zudem Mitarbeitende, stärkt sein Image, schafft Vertrauen und stellt die Organisation zukunftssicher auf. Rund 1.200 Unternehmen in Deutschland leisten durch EMAS bereits einen wirksamen Beitrag zum Umweltschutz." (www.emas.de/was-ist-emas)
18:08: EMAS, ISO 14000 oder ISO 51000? Thomas Voß über die Unterschiede der Managementsysteme und die Vorteile von EMAS
Wenn mal was passiert – und da ist keiner vor gefeit - kann ich im Zweifel immer sagen, ich habe [mit EMAS] das höchstmögliche Sicherheitslevel dank dieser permanenten Überprüfung meiner rechtlichen Compliance erreicht.
... bei EMAS [müssen Sie] einmal im Jahr eine Umwelterklärung veröffentlichen. In dieser Umwelterklärung stehen sämtliche Input/Output-Daten und wichtige Parameter und Kennzahlen Ihres Unternehmens, bis hin zu den Umweltzielen, die sie sich gesetzt und dem Umsetzungsgrad, was haben Sie damit tatsächlich erreicht haben. Was in dieser Umwelterklärung steht, ist durch den unabhängigen akkreditierten Gutachter auch als richtig bestätigt worden. Da ist null heiße Luft, die Sie reinschreiben können, das ist alles valide - das können Sie so veröffentlichen - alles was da drin steht, stimmt.
Mit EMAS haben Sie im [Bereich Umwelt] die Nachhaltigkeitsberichterstattung 1 zu 1 schon drin und umgesetzt.
22:39: Über das Vorgehen, ein EMAS zu implementieren - und die finanzielle Frage
Es hat sich in vielen Bereichen ausgezahlt:
- dadurch, dass wir eine deutlich höhere Mitarbeiter-Zufriedenheit erzielen konnten.
- Es hat sich auf jeden Fall ausgezahlt über eine unheimlich hohe Wertschätzung in der Lokalpolitik,
- und es hat sich ausgezahlt über eine unheimlich positive Wahrnehmung unserer beiden Kliniken in der Öffentlichkeit.
... um nochmal den einen Vergleich zu machen: die 50001 konzentriert sich auf das Thema Energie. Aber das ist ein Thema, mit dem Sie viele Beschäftigte nicht unbedingt mitnehmen können. Wenn Sie ein EMAS einführen, sind Sie viel breiter aufgestellt: Sie haben die Lieferkette mit dabei, Sie haben die Mobilität mit dabei usw. Und deswegen glaube ich persönlich, ist man gut beraten, sich an dem Punkt auch tatsächlich für das breitere System zu entscheiden und auf EMAS zu gehen.
26:25: Über die Frage, welche Handhabe eine neue Bundesregierung hat, die bestehenden regulatorischen Anforderungen an die Krankenhäuser zu reduzieren – über die neue CSRD-Berichtspflicht und was ein Umweltmanagement-Handbuch ist
Die wichtigsten Aspekte bei der EMAS-Einführung kennt man auch aus der CSRD-Berichterstattung. Das heißt, ich muss mich erst einmal hinsetzen, muss den Kontext meines Unternehmens einmal Revue passieren lassen, wo arbeite ich, in welchem rechtlichen Rahmen arbeite ich – wo bin ich da unterwegs. Ich muss auch bei EMAS eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse machen. Das heißt, mich zu fragen: Wo sind meine größten Verbraucher, beispielsweise. Wo habe ich die größten Umweltauswirkungen in meinem Unternehmen? Das kann sehr unterschiedlich sein.
[Mit EMAS muss ich ein] Umweltmanagementhandbuch machen. Das ist wie ein QM-Handbuch im Bereich Umwelt. Und weil der Verordnungsgeber an der Stelle rechtliche Compliance von mir fordert muss ich einmal wirklich durchgehen und fragen:
- Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es, welche treffen auf mich zu?
- Handelt es sich reine Information, oder da muss ich auch regelmäßig agieren?
Mit der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive sind ab 2026 auch mittlere Unternehmen verpflichtet, für das Berichtsjahr 2025 nichtfinanzielle Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenzulegen. Diese Offenlegung erfolgt in Form einer jährlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung, die von unabhängigen Prüfinstitutionen (z.B. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) auf ihre Vollständigkeit, Genauigkeit und Einhaltung der Anforderungen überprüft wird.
30:40 - Inwiefern EMAS hilft, die unterschiedlichen Genehmigungen im Blick zu behalten, über die Erstellung eines Rechtskatasters und warum das Thomas Voß während seiner aktiven Zeit als kaufmännischer Direktor gut schlafen ließ
Das heißt, ich habe gemeinsam mit [einem spezialisierten Rechtsanwalt] ein Rechtskataster erstellen lassen - da sind alle Vorschriften enthalten. Wir machen jedes Quartal einen Abgleich: Was hat sich geändert? Müssen wir aktiv werden oder nicht? Und da sind wir wieder bei den Punkt „Schlafe ich gut?“ Ja, ich schlafe gut oder hab´ gut geschlafen in der Zeit. Da haben wir es mittlerweile mit persönlicher Haftung zu tun und mit Summen, die sind nicht ganz unbeträchtlich. Das darf man nicht vergessen.
Es ist im ersten Aufschlag durchaus auch ein Hieb Arbeit. Jeder, der ein QM-System eingeführt hat, kennt das. ... Von der Entscheidung - das wollen jetzt machen - bis zur Erstvalidierung, kann man in etwa ein Jahr rechnen,. Das ist sportlich, aber gut zu schaffen.
32:12: Und wie hält man ein Umweltmanagementsystem „lebendig“? Über den kontinuierlichen Verbesserungsprozess und einen unerschöpflichen Ideen-Fundus der Beschäftigten
Das ist wirklich eine win-win-win-Situation – für´s Unternehmen, für die Patient:innen und auch für die Beschäftigten.
33:28: Thomas Voß über die Arbeit der BioMentor:innen
Wir versuchen mit unseren Beispielen deutlich zu machen: Da geht vielmehr als man sich gemeinhin vorstellt. Also meistens hört man, dass das alles viel zu viel kostet. Oder man bekäme die Lebensmittel nicht, die man tatsächlich braucht ... Mit unseren Beispielen versuchen wir zu zeigen, dass es tatsächlich doch geht und das über die Branchen hinweg.
36:00 - Über die Arbeit der Jury für den Lohfert-Preis und die Kriterien, die für Thomas Voß am wichtigsten sind
- Einbeziehung der Belegschaft
- Übertragbarkeit
Erstens: Wie binden die einzelnen Projekte die Beschäftigten mit ein? Ich glaube, das ist eine ganz große Stellschraube. Und zweitens - ganz wesentlich: Das ist die Übertragbarkeit. Also ein Projekt, das eine Insellösung darstellt, die bei diesem einzelnen Haus funktioniert, aber nicht in die Breite gegeben werden kann, fände ich schade. Ich liebe Projekte, bei denen man sagen kann: Selbst wenn man hier und da ein paar Parameter verstellen muss, ist es eine gewisse "Blaupause" auch für andere.
Ich bin sehr, sehr gespannt auf die Bewerbungen, wo die Schwerpunkte gelegt werden und was es auch an neuen Ideen gibt, die ich noch gar nicht kenne.
38:32: Thomas Voß zum Krankenhaus der Zukunft, wenn Deutschland 2045 klimaneutral ist
Also, wenn meinen Wunsch sagen darf, dann wünsche ich mir erst mal eine besser gestaltete Rahmengesetzgebung für die Einrichtungen des Gesundheitswesens.
Ich wünsche mir ein Krankenhaus, das ganzheitlich denkt, das natürlich als allererstes den Patienten im Fokus hat, aber genauso auch die Beschäftigten, die Umwelt, den gesamten Nachhaltigkeitsbereich. Dass die Krankenhäuser so ausgestattet sind, auch finanziell ausgestattet sind, dass sie das auch umsetzen und leben können. Und dass wir insgesamt eine Gesundheitsversorgung in Deutschland haben werden, die diese Aspekte weiter mit berücksichtigt und parallel dazu auch natürlich den Patienten weiter im Fokus hat und nicht das Geschäftsfeld Patient, sondern wirklich die Gesundheit des Patienten.
Münster/Hamburg, im Januar 2025
Headerfoto: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2024 / Intro/Outro: www.kurtcreative.de / Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wieder. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.
Der Lohfert-Preis wird seit dem Jahr 2012 mit dem Ziel ausgeschrieben, innovative Best-Practice-Projekte zur Verbesserung der Patientensicherheit und -orientierung zu fördern. Das diesjährige Ausschreibungsthema des mit 20.000 Euro dotierten Förderpreises lautet: GREEN HOSPITAL – Umweltschutz und Ressourceneffizienz in Krankenhäusern. Noch bis zum 28. Februar 2025 nehmen wir Bewerbungen für den Lohfert-Preis 2025 über die Bewerbungsplattform entgegen. Der Preisträger 2024 wird von der unabhängigen Experten-Jury ausgewählt; Schirmherrin ist Dr. Regina Klakow-Franck, ehe. unparteiisches G-BA-Mitglied.