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Ergonomisches Arbeiten im Pflegealltag: Magdeburger „Ergo“-Projekt wird von Jury lobend erwähnt

4. September 2024

Lohfert-Preis

Pflegekräfte sind neben mentalen Herausforderungen oft körperlichen Höchstbelastungen ausgesetzt, wenn sie bewegungseingeschränkte Patient:innen heben und umlagern müssen. Dies führt nicht nur zu Muskel- und Skeletterkrankungen, sondern belastet auch das Herz-Kreislauf-System. Fehltage und eine damit einhergehende noch größere Belastung des verbliebenen gesunden Pflegepersonals sind mit dafür verantwortlich, dass viele Pflegekräfte ihren Beruf frühzeitig aufgeben. 

Dem stellen der Arbeitspsychologe Dr. Stefan Waßmann und  Stefanie Mewes vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) nun ein neues Konzept entgegen. Ergo ITS soll die körperliche Arbeitsbelastung für die Pflegekräfte auf Intensiv- und Intermediate Care Stationen verringern, die Patientensicherheit erhöhen und mittelfristig mehr Personal an die Magdeburger Uniklinik holen. Die Jury des Lohfert-Preises hat das Projekt lobend erwähnt.

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Dr. Stefan Waßmann, Arbeitspsychologe an der Universitätsmedizin Magdeburg, ist Projektleiter von Ergo-ITS. Foto: Melitta Schubert/Universitätsmedizin Magdeburg
Dr. Stefan Waßmann, Arbeitspsychologe an der Universitätsmedizin Magdeburg, ist Projektleiter von Ergo-ITS. Foto: Melitta Schubert/Universitätsmedizin Magdeburg
Stefanie Mewes vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement der Universitätsmedizin Magdeburg leitet gemeinsam mit Dr. Stefan Waßmann das Projekt
Stefanie Mewes vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement der Universitätsmedizin Magdeburg leitet gemeinsam mit Dr. Stefan Waßmann das Projekt "Ergo-ITS".Foto: Melitta Schubert/Universitätsmedizin Magdeburg

„Du musst ja die Leute fragen, die die Arbeit machen. Kein anderer kennt sich mit der Arbeit besser aus. Das können ja nicht wir in der Verwaltung oder der Gesetzgeber oder sonst irgendjemand beschließen, sondern die Mitarbeitenden müssen gefragt werden.“ (Dr. Stefan Waßmann)

Das Interview im Überblick

01:57 - Über das Projekt „Ergo-ITS - Empowerment für die Intensivpflege“ und darüber, wie körperliche Entlastung der Pflegekräfte zu einer Win-Win-Situation für Personal und Patient:innen gleichermaßen führen kann.

03:15 - Warum das Projekt mehr ist, als das Arbeitsschutzgesetz verlangt  - von der gemeinsamen Analyse und Beobachtung der Pflegenden während der drei Schichtdienste pro Tag und die Identifikation von 28 potenziell gefährdenden Teiltätigkeiten.

06:13 - "Heben, Halten und Tragen" - wie können wir dabei ddie Pflegekräfte entlasten - über die einzelnen Projektschritte: Vorstellung der Analyseergebnisse und Diskussion möglicher Maßnahmen mit allen Beteiligten (soweit möglich).

„Und das war immer eine ganz tolle Erfahrung, wie ich fand, wirklich auch den Mitarbeitern eine gewisse Wertschätzung entgegenzubringen, wirklich zu sagen: „Ihr werdet gehört.“ Es wird nicht nur abgefragt, „was sind eure Probleme“, sondern ganz klar auch Maßnahmen abzuleiten, die wir dann zusammen umsetzen.“ (Stefanie Mewes)

08:40 - Wer hat mitgemacht? Über die (interprofessionelle) Einbindung der Mitarbeitenden in den untreschiedlichen Phasen des Projekts, die praktische Frage, wer alle Daten erhebt und zusammenträgt und den gemeinsamen Maßnahmenkatalog, der am Ende entstanden ist.

„ Wir haben … immer auch darum gebeten, auch Pflegehilfskräfte mit einzubeziehen, gern auch Ärzte mit einzubeziehen, also tatsächlich alle, die in dem Bereich arbeiten und ihren Beitrag dazu leisten und dann eben auch profitieren sollen von diesen Maßnahmen, die wir erarbeitet haben.“ (Stefanie Mewes)

 


Das BGM der Universitätsmedizin Magedburg wurde in diesem Jahr für den Corporate Health Award durch ein (Online-)Audit verifiziert. Die engültige Entscheidung für die Auszeichnung als "exzellentes betriebliches Gesundheitsmanagement" steht im September an.


11:55 - Über konkrete Maßnahmen auf den einzelnen Stationen: von Stillstühlen und Tragesystemen für Babies über Antirutschmatten bis hin zu Lasermäusen.

15:10 - Über die Frage, inwiefern die umgesetzten Maßnahmen bereits zu Verbesserungen geführt haben und warum es so wichtig ist, das Projekt gemeinsam mit den Mitarbeitenden vor Ort umzusetzen.

„Also Luft nach oben haben wir immer. Also dafür ist der Anspruch in unserer Arbeit einfach von uns selbst auch zu hoch, als dass wir jetzt sagen würden, gut, erledigt, nächstes Projekt. Ich würde sagen, wir haben eher so den Stein ins Rollen gebracht.“

„Du musst ja die Leute fragen, die die Arbeit machen. Kein anderer kennt sich ja mit der Arbeit besser aus. Das können ja nicht wir in der Verwaltung oder der Gesetzgeber oder sonst irgendjemand beschließen, sondern die Mitarbeitenden müssen gefragt werden.“ (Dr. Stefan Waßmann)

17:50 - Über die Akzeptanz technischer Maßnahmen, wenn sie von Kolleg:innen empfohlen werden.

„Wir sind halt nicht die Pflegeprofis. Wir können nur Angebote machen.“  (Dr. Stefan Waßmann)

19:47 - Über weitere Maßnahmen auf der organisationalen und personenbezogenen Ebene wie kinästhetische Schulungen, Fitnesskurse im BGM, und auch kleine (Prozess-)Änderungen, die Großes bewirken.

26:13 - Vom Operateur, der dem Fachpfleger das Exoskelett abguckt.

27:35 - Über Pläne für andere Klinikbereiche und die Frage, wie sich die AU-Quote senken lässt.

29:00 - … und übrigens: Alle Bereiche können über das Bestellsystem auf die neuen Hilfsmittel zugreifen.

29:45 - Zu der Frage der Kosten …  das Ziel, Fachkräfte zu finden und zu binden und über die Rolle des Personalmarketings.

„Wenn wir einfach mal gegenrechnen, wenn eine Intensivpflegekraft beispielsweise ausfällt, ein Bett gesperrt werden muss, eine Operation deswegen nicht stattfinden kann, was da für Kosten entstehen, dann ist das, was wir hier mit ein paar Exoskeletten, ein bisschen Gleitfolie oder vielleicht doch einem, wie Steffi gesagt hat, sehr kostenintensiven, höhenverstellbaren Stillstuhl an Kosten verursachen, aber auch ganz schnell wieder drin.“ (Dr. Stefan Waßmann)

33:55 - Und wie sieht der perfekte Arbeitsplatz in 20 Jahren aus? Über die Rolle von KI und Robotern.

„Was mir in dem Kontext immer nur ganz wichtig ist, … dass diese tollen Technologien immer ein Werkzeug bleiben und zwar von Menschen, von echten Menschen, die dann da tätig sind und deren Tätigkeit durch den Gebrauch dieser Werkzeuge ja besser, angenehmer wird, aber eben bitte nicht an Sinn verliert.“ (Dr. Stefan Waßmann)

„ Ja, ich hoffe auch, dass wir mit der Digitalisierung noch ein bisschen voranschreiten, … dass wir uns noch mehr auf den Menschen konzentrieren können und dort einfach kreative Lösungen finden können. Und ja … im betrieblichen Gesundheitsmanagement würde ich mir wünschen, … dass wir das Bike-Leasing, was wir jetzt bei unserem Uniklinikum eingeführt haben, dass das eben auch Früchte trägt, dass mehrere Leute auch wirklich noch das Fahrrad nutzen, um damit zur Arbeit zu fahren, sich fit zu halten und was fürs Klima zu tun.“ (Stefanie Mewes)

Magdeburg/Hamburg, im August 2024


Zum Lohfert-Preis

Der Lohfert-Preis wird seit dem Jahr 2012 mit dem Ziel ausgeschrieben, innovative Projekte zur Verbesserung der Patientensicherheit und -orientierung zu fördern. Das Ausschreibungsthema des diesjährigen Lohfert-Preises lautete: "Fachkräftemangel als Impuls: Strategien zur Entwicklung und Stärkung des Gesundheitspersonals.“  Preisträger 2024 ist das Projekt  „Sicherheit in der Kinderonkologie (SICKO) - Interprofessionelles Training & Innovationen für mehr Sicherheit von Patient:innen, Familien und Mitarbeitenden" der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Projekt Ergo-ITS am Universitätsklinikum Magdeburg wurde von der unabhängigen Jury unter 82 eingegangenen Bewerbungen zusammen mit dem Projekt  "Kinder-IPSTA - Interprofessionelle Ausbildungsstationen in der Kinderkardiologie" am Universitätsklinikum Bonn lobend erwähnt. Die Preisverleihung findet am 18.09.2024 im Rahmen des Hamburger Gesundheitswirtschaftskongresses statt.


Moderation, Redaktion: Tanja Brunner, Julia Hauck / Produktion: Julia Hauck / Faktencheck: Dr. Thomas Lehnert / Headerfoto: Bertram Solcher für den Lohfert-Preis 2019 / Intro/Outro: www.kurtcreative.de / Äußerungen unserer Gesprächspartner:innen geben deren eigene Auffassungen wider. Die Christoph Lohfert Stiftung macht sich Äußerungen ihrer Gesprächspartner:innen in Interviews und Beiträgen nicht zu eigen.

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