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Die Geburt eines Kindes ist für jede Frau ein einschneidendes Ereignis – doch bei aller Freude kann es für viele auch eine Phase der psychischen Belastung sein. In Deutschland sind laut Uni Heidelberg bis zu 25 Prozent der Schwangeren von Angststörungen betroffen (1), bei Depressionen liegt die Quote bei 20 Prozent. Und nach der Geburt setzt sich dieser Trend fort: Schätzungen zufolge kämpfen 15 Prozent der Mütter mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder schweren Schlafstörungen.
Dabei geht es nicht um vorübergehende Stimmungstiefs wie die sogenannten „Heultage“ oder der Babyblues, sondern um klinisch relevante Diagnosen wie
Ohne Behandlung können diese Erkrankungen andauern – mit Folgen für die gesamte Familie.
Tatsächlich wächst jedes dritte bis vierte Kind in Deutschland mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf (2). Dabei ist insbesondere die frühe Kindheit entscheidend für ein gesundes Aufwachsen und die Gesundheit im Erwachsenenalter. Ist die sogenannte Bindung, die in den ersten zwölf Lebensmonaten zwischen Mutter und Kindern entsteht, belastet, tragen diese Kinder ein drei- bis siebenfach erhöhtes Risiko, selbst psychische Auffälligkeiten zu entwickeln (3).
Die Mutter-Kind-Tagesklinik am Universitätsklinikum Dresden bietet eine multiprofessionelle und sektorübergreifende Versorgung für Schwangere und Mütter mit psychischen Erkrankungen an, ebenso für werdende oder bereits aktive Väter. Ziel ist nach der Diagnostik die Beratung und störungsspezifische Behandlung, insbesondere zur Prävention und Therapie von Mutter-Kind-Bindungsstörungen. Bereits 2021 hatten wir mit der Klinikdirektorin der Mutter-Kind-Tagesklinik, Prof. Kerstin Weidner, über die integrierte Behandlung von Mutter und Kind gesprochen. Anlässlich des diesjährigen Weltgesundheitstages haben wir die Medizinerin erneut zu ihrem Projekt befragt:
Im Jahr 2021 hatte die begleitende Evaluation eine hochsignifikante Symptomverbesserung bei den Patientinnen gezeigt. So zeigten 86,6 Prozent der behandelten Patientinnen nach der Therapie keine Bindungsstörungen mehr – ein Therapieerfolg, der auch ein Jahr nach der Behandlung anhielt.
Mittlerweile haben Prof. Weidner und ihr Team die Daten ‚ein Jahr nach der Behandlung‘ genauer untersucht und es hat sich bestätigt, dass die positiven Effekte in Bezug auf die mütterliche psychische Gesundheit nachhaltig sind. Darüber hinaus haben die Mütter eine Einschätzung zu möglichen Verhaltensauffälligkeiten (wie z.B. Aggressivität oder Ängstlichkeit) ihrer Kinder gegeben.
Die Ergebnisse legen nahe: Je stärker die Mütter von der interaktions-zentrierten Behandlung profitieren, desto geringer waren die Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder ein Jahr nach der Entlassung.
Über die positiven Evaluationsergebnisse zeigt sich Prof. Weidner sehr erfreut: „Diese Befunde sind für uns äußerst ermutigend. Sie deuten darauf hin, dass die interaktions-zentrierte Therapie nicht nur die psychische Gesundheit der Mütter nachhaltig verbessert, sondern möglicherweise auch einen präventiven Effekt auf die nächste Generation hat.“
Diese Ergebnisse spiegeln das Ziel der diesjährigen WHO-Kampagne „Gesunde Anfänge, hoffnungsvolle Zukunft“ wider. Auch vier Jahre nach unserem Interview mit Prof. Weidner ist das Thema Müttergesundheit nicht nur immer noch aktuell, sondern brennt nahezu mehr denn je nach den Corona-Jahren.
So hat das Uniklinikum Dresden ein ausgefeiltes interdisziplinäres stationäres Behandlungskonzept für Schwangere, Mütter und Kinder bis zu einem Jahr entwickelt, das bereits vom medizinischen Dienst der Krankenkassen in Sachsen für sinnvoll und notwendig erachtet wurde. Das Konzept soll in Zukunft auch außerhalb des Einzugsgebiets angeboten werden, die Verhandlungen mit den Krankenkassen laufen derzeit, so Prof. Weidner.
Weiter plant das Team um Prof. Weidner noch eine längsschnittliche Studie, in der sie Mütter und Kinder erneut einladen werden, um durch eine umfassende Entwicklungsdiagnostik noch fundiertere Aussagen zu den langfristigen Effekten auf die kindliche Entwicklung treffen zu können. Zusätzlich sollen Biomarker erfasst werden, um besser zu verstehen, welche biologischen Mechanismen diesen Prozessen zugrunde liegen. So kann beispielsweise eine Haarsträhne der Kinder Aufschluss über die langfristige hormonelle Stressbelastung geben.
In Deutschland gibt es verschiedene Maßnahmen zur Prävention von Mutter-Kind-Bindungsstörungen; im Bundeskinderschutzgesetz gesetzlich verankert ist das Präventionsprogramm „Frühe Hilfen“, das seit dem Jahr 2007 im Nationalen Zentrum Frühe Hilfen bundesweit umgesetzt (NZFH) wird.
In einer Kosten-Nutzen-Analyse am Beispiel des Projekts „Guter Start ins Kinderleben“ konnte das NZFH schon im Jahr 2011 die Effizienz solcher frühkindlichen Interventionsprogramme zeigen. So spart „jeder in eine frühzeitige Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern investierte Euro im Lebensverlauf ein Vielfaches an Folgekosten ein, die ohne diese Maßnahmen später mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wären (z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe- oder medizinische Leistungen)“, heißt es auf der Website des Kooperationsverbunds gesundheitliche Chancengleichheit (4). Jeder investierte Euro in peripartale Betreuung spart also langfristig Kosten – und bewahrt Kinder vor transgenerationalem Leid.
Der Weltgesundheitstag 2025 findet am Montag, 7. April statt. Unter dem Motto „Gesunde Anfänge, hoffnungsvolle Zukunft“ rückt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen in den Fokus. Die einjährige Kampagne soll Regierungen und Gesundheitsberufe dazu animieren, die Zahl vermeidbarer Todesfälle bei Müttern und Neugeborenen weiter zu reduzieren und die langfristige, physische und psychische, Gesundheit von Frauen als vorrangiges Ziel zu behandeln. (5)
(3) https://www.skf-muenchen.de/presse/pressemitteilung/psychische-erkrankungen-bei-muettern.html