In Klinikinformationssysteme (KIS) eingebettete Clinical Decision Support Systeme (CDSS) können Medikationsfehler verringern. Bei unspezifischen, sensitiven CDSS kann ein Alert Fatigue durch eine hohe Anzahl irrelevanter Alerts entstehen, andererseits benötigt die Durchsicht vieler irrelevanter Alerts Zeit und somit personelle Ressourcen. Am Kantonsspital Aarau wird ein CDSS entwickelt, welches die Detektion und Behebung von Medikationsfehlern mit hoher Spezifität und Effizienz erlaubt.
Das Projektziel ist die Entwicklung eines CDSS zur Reduktion von Medikationsfehlern, bestehend aus verschiedenen thematischen Algorithmen-basierten Agenten. Wichtige Inhalte und Schwellenwerte sollen von Benutzerseite parametrierbar, die Alerts spezifisch und die Bearbeitung der Meldung zeitlich flexibel sein (kein Unterbruch des Arbeitsflusses). Das halbautomatische CDSS sendet die Alerts entweder direkt an den Arzt oder zunächst an einen Apotheker zur Überprüfung.
Die Auswahl der zu adressierenden Medikationsfehler erfolgt in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe. Mittels retrospektiver Daten wird ein Dummy-Code des Algorithmus erstellt und der Herstellerfirma des KIS zur Programmierung übergeben, die ihn in einem dafür vorgesehenen Testbereich des KIS implementiert. Hier findet eine Validierung mit Testpatienten und Use-Cases statt; dieser Schritt benötigt zumeist mehrere Durchläufe. Anschliessend wird der Algorithmus ins Produktivsystem überführt, wo nochmals eine kurze Testphase durch die Projektmitarbeiter erfolgt. Schliesslich wird der Agent der Spitalpharmazie zum Betrieb übergeben. Retrospektiv werden Sensitivität und Spezifität der Agenten überprüft.
Das Projekt startete Ende 2016 mit einem ersten Agenten; gefolgt von der Entwicklung des Frameworks und Verbesserung des Konzepts. Seit Ende 2022 sind 20 Agenten im KIS in Betrieb und die Entwicklungsphase abgeschlossen. Aktuell wird das Projekt evaluiert.
Die Entwicklung eines halbautomatischen CDSS mit spezifischen kontextbasierten Algorithmen führte zu Alerts mit hoher Umsetzungsrate. Der Nutzen für den Patienten konnte bei einigen Medikationsfehlern bereits durch eine Reduktion der Häufigkeit nachgewiesen werden. Die Prüfung der Mehrheit der Alerts durch Apotheker kombiniert mit der direkten Weiterleitung sehr spezifischer /kritischer Alerts erlaubt eine effiziente Nutzung der Ressourcen. Dem Alert Fatigue wird sowohl auf Seite Apotheker als auch Arzt vorgebeugt.
Förderung: Das Projekt wurde mit dem GSASA Forschungspreis für Projekte nationaler Tragweite gefördert.