Aggressive und gewalttätige Situationen sind komplexe, alltägliche Herausforderungen im psychiatrischen Versorgungsalltag, v.a. in der Akutpsychiatrie. Sie stellen nicht nur für Patienten eine Gefährdungsquelle dar und wirken somit nachteilig auf die Patientensicherheit, sondern beeinträchtigen zudem diverse versorgungsrelevante Faktoren. So stehen aggressive Ereignisse in Zusammenhang mit geringerer Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, einem schlechteren therapeutischen Klima sowie einer häufigeren Anwendung freiheitseinschränkender Maßnahmen (FEM) wie bspw. Zwangsmedikation oder Fixierungen. Die Anwendung von FEM wiederum hat z.T. schwerwiegende und fatale Auswirkungen auf die betroffenen Patienten, stellt eine Verletzung der Menschenrechte dar und darf daher nur als „ultima ratio“ dienen, um die Sicherheit des Patienten zu schützen. Die Akutpsychiatrie steht somit vor der schwierigen Aufgabe, einerseits selbst- und fremdgefährdendes Verhalten aus krankhaften psychischen Zuständen zu verhindern bzw. einzugrenzen, andererseits wiederum FEM so selten und kurz wie möglich einzusetzen sowie diese humanitär zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund empfehlen Leitlinien die Implementierung von praxiserprobten, nachhaltigen Konzepten, welche die Bedürfnisse von Patienten während ihrer Unterbringung in der Akutpsychiatrie in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig das Eintreten aggressiver und gewalttätige Situationen abmildern, verringern oder vollständig verhindern können. Ein Konzept, das alle genannten Anforderungen umfassend umsetzt, ist das Safewards-Modell.
In einem multidimensionalen Konzept identifiziert es diejenigen Faktoren, welche das Auftreten von Konflikten, Gewalt und FEM in der psychiatrischen Akutversorgung bedingen. Da erste empirische Belege für die Wirksamkeit des Safewards-Modell vorliegen, wurde es zwischen 2017 und 2018 auf den beiden geschützten Akutstationen unserer Klinik eingeführt und – erstmalig in Deutschland – im Rahmen einer Prä-Post-Erhebung sowohl auf Patienten- als auch auf Mitarbeiterebene evaluiert. Dabei zeigte sich u.a., dass nach der Implementierung des Safewards-Modells das Stationsklima und die Arbeitszufriedenheit positiver eingeschätzt sowie weniger und kürzere FEM angewendet wurden als zuvor. Vor dem oben beschriebenen Hintergrund konnte durch die Implementierung und Evaluierung des Safewards-Modells somit ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Patientensicherheit geleistet werden.